Man kommt rein und es ist alles anders

Ein großes Unternehmen, ein neuer Vorstand, ein dringend nötiger Kulturwandel und Sie treten - direkt vom Vorstand von draussen geholt - an, eine neue Abteilung aufzubauen. Eine spannende Aufgaben mit vielen Risiken. Eine Managerin berichtet.

Wie sind Sie damals auf diesen Job gestoßen?

Die Position war nicht ausgeschrieben, ich habe davon durch eine Empfehlung erfahren, der ich nachgegangen bin. Freunde und Kollegen des Generaldirektors hatten mir erzählt, dass jemand gesucht wird und ich mich bewerben soll. Ich habe Kontakt aufgenommen, hatte gleich ein Gespräch mit dem Generaldirektor und wir waren uns schnell einig, dass es passt - menschlich, fachlich, monetär. Der Auftrag war, im Konzern den Kommunikationsbereich neu aufzustellen.

Ging es dabei  um eine neu geschaffene Position?

Nein, die Position war damals in einem anderen Organisationsschema verankert. Dort sollte sie heraus genommen und direkt beim Generaldirektor angekoppelt werden. Man benötigte jemanden, der dafür die nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten hat und sich die erforderlichen Mitarbeiter holt.

Es gab also Vorgänger?

Ja, interimistisch. Diese Aufgaben liefen bisher nebenbei mit. Nun wollte das Management, das selbst erst kurz im Amt war, stärkere Akzente setzen, was die Kommunikation anbelangte. Man wollte ein integriertes Kommunikationskonzept, d.h. von der Pressestelle über Mitarbeiterinformation, Eventmanagement, Sponsoring, Werbung, alles in einer Hand vereint. Das gab es damals noch nicht. Es gab ein wenig Pressearbeit, ein Mitarbeitermagazin und insgesamt 3-4 Mitarbeiter.

Das neue Management war eine andere Kommunikationsarbeit gewohnt. Zu dem Zeitpunkt war der frühere Konzern bereits in mehrere selbständige Unternehmen aufgespaltet worden und in unserem, immer noch großen Unternehmen blieb ein kleiner Teil der Kommunikationsleute übrig. Mit denen galt es, den Bereich neu aufzusetzen.

Es gab also das Gespräch mit dem Generaldirektor und dabei bekamen Sie  ein erstes Bild von dem, was er wollte. Wie war das dann, als Sie ins Unternehmen hinein gekommen sind? Ist dann nicht immer vieles ganz anders als erwartet?

Dadurch, dass das Top-Management selbst erst einige Monate an Bord war, habe ich seitens des Vorstandes das Bild vermittelt bekommen, das man halt hat, wenn man selbst erst kurz an Bord ist. Vertiefende Informationen kamen später von den einzelnen Bereichsleitern. Ich habe eine Vorstellungstour gemacht und so den Status quo erfahren. Vorher hatte ich vom Vorstand eher so die Vision bekommen, wo es hingehen soll und von den Mitarbeitern ein Bild davon, wie es denn wirklich rennt.

Was macht man als neue Führungskraft konkret am ersten Arbeitstag?

In der Regel ist es heute schon so, dass man nicht am ersten Tag da ist, sondern meist schon früher anfängt. Ich war davor schon bei Meetings dabei, bei wichtigen Veranstaltungen, Gesprächen und Verhandlungen, ohne noch meine Mannschaft kennen gelernt zu haben. Dadurch hatte ich einige Puzzlesteine - worum geht es, worum kann es gehen - schon einmal vorab als Information.

Der erste offizielle Arbeitstag ist meistens mit organisatorischen Tätigkeiten gefüllt. Wo sitze ich, was habe ich für einen PC, etc. sofern das nicht schon vorher für einen erledigt wurde, was bei mir nicht der Fall war. Das ist im Unternehmen heute bereits anders, da ist für die neuen Mitarbeiter schon alles erledigt, wenn sie anfangen. Das ist auch eine Form des Willkommen Heißens. Es gab die üblichen Glückwünsche und dann habe ich schnell die Mannschaft zusammen geholt und sehr klar gesagt, der bin ich, das mache ich, das kann ich. Denn die Gerüchte sind ja immer schon vorher da. Also galt es, schnell Gruppengespräche zu führen, sich vorzustellen und die Mitarbeiter kennen zu lernen.

Als Sie am ersten Tag bei der Tür hinein gegangen sind, wen haben Sie da angesteuert?

Den Manager, der den Bereich vorher in seinem Portfolio hatte. Der hat mir mein Büro gezeigt und mir meine Sekretärin und die Leute vorgestellt. Es hat quasi als Adviser fungiert. Dann gab es eine erste Besprechung, bei der sich die Mitarbeiter und ich einmal gegenseitig vorgestellt haben. Und dann hat es sich der Generaldirektor nicht nehmen lassen, mich den anderen Vorstandskollegen vorzustellen und mit mir dem Personalchef und dem Betriebsrat einen Besuch abzustatten. Danach ging die Arbeit los.

Ein Stück weit arbeitet man sich ja schon vorher ein, wenn man nicht sowieso schon im Zuge der Bewerbung ein Konzept abliefern muss, wie man sich das Unternehmen und seine Arbeit vorstellt. Man fängt also nicht ganz neu an, es ist eher ein laufwarmer Start. Teilweise war ich ja - wie schon gesagt -  bereits vorher bei einzelnen Gelegenheiten dabei, z.B. bei Pressegesprächen. Einige Leute haben mich daher schon gekannt. Da im laufenden Geschäft ständig irgendwelche Dinge zu erledigen sind, war es natürlich wichtig, rasch ins Tagesgeschäft einzusteigen.

Es ist immer ein Kopfsprung ins kalte Wasser, bei dem man längere Zeit braucht, um wieder nach oben zu kommen. Die wesentliche Herausforderung ist meines Erachtens, sich gut zu strukturieren und sich selbst einen Business Plan zu machen. Was ist meine Tätigkeit heute, was ist mit den Mitarbeitern heute machbar, wie baue ich meine nächsten 5, 4 oder 3 Jahre auf? Je nachdem wie lange die Verträge laufen.

D.h. der Generaldirektor hat Ihnen seine Ideen geschildert nach dem Motto: Das und das stelle ich mir vor, das möchte ich in drei Jahren haben, das in fünf. Mir liegt vor allem daran, dass.....?

Es war mehr ein Briefing. Manche Vorstände haben fix und fertige Konzepte und sagen: Machen Sie das! Oder es gibt einen Vorgänger und sie sagen: So und so will ich es nicht, ich will es ganz anders. Oder: Das will ich weiterhin, jenes nicht. Dann sind Sie aufgefordert, in kurzer Zeit Ihre Vorschläge einzubringen, sei es zur Organisation, zu Strategien, zu Maßnahmen. Heute werden Sie ja vielfach bereits in den Vorstellungsgesprächen aufgefordert, sich dazu Gedanken zu machen, Konzepte zu entwickeln, das auch schriftlich abzugeben und in den Hearings zu präsentieren. Insofern lief das hier ein bisschen atypisch.

Jetzt hatte der Vorstand eine bestimmte Vorstellung, Ihre Mannschaft wahrscheinlich ganz andere, bzw. kannte die vom Vorstand gar nicht oder hielt sie für nicht durchführbar ...

Ja, aber das ist Führen. Sie haben nicht nur eine Vermittlerrolle, Sie bekommen als Manager Vorgaben, die Sie umsetzen müssen, aber nicht 1:1 weitergeben können. Sie interpretieren und adaptieren das, um das bestmögliche Ergebnis herauszubringen und das dann wieder zurückzuspielen. Das ist die Führungsaufgabe, diesen Gap zu bewältigen. Natürlich ist es gerade am Anfang so, dass Mitarbeiter meinen, das mache ich nicht, das kenne ich nicht, das funktioniert nicht, das war bei uns immer schon so.

Wie lief das bei Ihnen am Anfang?

Sehr geteilt. Die Mitarbeiter wussten, dass ich aufgrund meiner früheren Jobs einen anderen Zugang hatte, eine ausgeprägte Dienstleistungsmentalität. Es gab die einen, die sich am Anfang zurückgezogen und gedacht haben, warten wir mal, schauen wir uns das einmal an, andere, die gesagt haben, das ist was Neues, das passt gut und wieder andere, die gesagt haben, das ist nicht meines. Die, die das nicht wollten, sind bald gegangen und haben sich im Unternehmen andere Aufgaben gesucht. Die, die sich zurückgelehnt haben, habe ich an Bord holen können und die, die gleich dabei waren, waren die Keyplayer, die das mitgezogen haben. In der Folge kamen dann auch neue Leute dazu.

Schafft man sich damit nicht gleich Feinde, wenn man gute Leute woanders abzieht?

Klar. Aber es geht um Ihr Team. Natürlich macht man es mit Bedacht, aber Sie haben ein Ziel, Sie wollen möglichst schnell Erfolg haben und innerhalb von den und den Monaten das und das bewältigen. Also habe ich nicht die formellen, sondern die informellen Netzwerke, die mir durch meine Mitarbeiter eröffnet wurden, genützt, um zu hören, wer gut ist und willig sich zu verändern. So bin ich an gute interne Leute gekommen und habe auch den einen oder anderen von außen geholt.

Was sind mögliche Probleme und Fallen, in die man gleich zu Beginn treten kann?

Punkt 1: Zu sagen, dass man gekommen ist, um es besser zu machen, zu sanieren oder zu verändern. Das machen sehr viele. Das ist ein schlechter Start. Das Zweite ist, sich und seine Kompetenz in den Vordergrund zu spielen und über die Mitarbeiter drüber zu fahren. Fatal ist, Kompetenz vorzuspielen, die gar nicht vorhanden ist, denn die Mitarbeiter wissen fachlich meist vieles besser, allein schon deswegen, weil sie länger im Unternehmen sind und da einen Vorsprung haben. Die großen Fettnäpfchen liegen eher im sozialen Kompetenzbereich, sich beispielsweise nicht nach informellen Regeln, Gesetzen und Strukturen zu erkundigen, sondern da einfach drüber zu fahren. Auch und gerade wenn man einen Sanierungsauftrag hat, ist es wichtig zu wissen, wo welche Fäden zusammenlaufen.

Wie stellt man das konkret an?

Indem ich mir meine Verbündeten suche, Kollegen kennen lerne, meine eigenen Mitarbeiter ausfrage. Typische Fehler sind, sich gleich einmal tolles Büro zu bauen und nach dem Motto vorzugehen: Alles wird neu. Einige setzen insofern ein Zeichen der Macht, dass sie gleich die Leute entlassen, die im Stab des Vorgängers waren und dann mit ihren eigenen kommen. Das ist legitim, aber es sind alles Signale. Man ist in diesen ersten Tagen auf einem ganz besonderen Präsentierteller, man wird genau beobachtet. Insbesondere innerhalb der ersten Stunden: Die Mitarbeiter werden sofort gefragt: Na, wie ist der/die Neue? Welche Aussagen und Bilder da durchs Unternehmen geschickt werden, erfahren Sie selbst natürlich erst viel später. Entscheidend ist: Diese ersten Aussagen und Einschätzungen bleiben oft sehr lange haften. Insofern sind die ersten Stunden die (vor)entscheidenden Momente. Wenn Sie dann beginnen, sich bei den Managerkollegen vorzustellen, erhalten Sie ebenfalls die ersten Bewertungen und Beurteilungen. Da beginnt der Ruf eines Managers im Unternehmen, den Sie dann im Lauf der Karriere im Unternehmen kaum mehr revidieren können.

Was kann man da tun, um sich einen guten Ruf zu schaffen? Wenn man nur fragt, Informationen einholt, wird das nicht als Zeichen der Zögerlichkeit, der Schwäche ausgelegt?

Es gilt das, was man im Umgang mit Menschen generell zu beachten hat. Es braucht eine Wertschätzung und Anerkennung der Anderen, Aufmerksamkeit im Gespräch, eine Darlegung der eigenen Ideen, wofür stehe ich, was habe ich vor, wofür bin ich geholt worden. Das sind die Grundprinzipien, wie ich mit Menschen umgehe. Wenn Sie das beachten, haben Sie später eine gewisse Reputation, zumindest einen Bonus, selbst wenn Sie dann hart sein, sanieren und unpopuläre Maßnahmen ergreifen müssen. Der erste Eindruck passiert hauptsächlich menschlich, auf der emotionalen Seite, fachlich lernt man Sie dann erst später kennen.

Peter Fischer meint in dem Buch „Neu auf dem Chefsessel“: Viele Neue tigern sich in die Arbeit, schauen auf Vorgesetzte und Mitarbeiter, vergessen aber auf das Netzwerk mit den Kollegen.

Das stimmt, weil sie sich oft als Experte positionieren und nicht als Partner. Es hängt davon ab, welche Führungsstruktur der Manager in sich hat. Experten werden immer so agieren, dass sie sich über ihre Leistung, ihre Expertise definieren. Beziehungsmenschen werden das eher von der anderen Seite her aufziehen. Klarerweise muss man beides machen, aber die Frage ist, welchen Schritt mache ich zuerst.

Jetzt kann es passieren, dass der Vorstand sagt, ich will das so haben. Dann führt man Gespräche mit den Vorstandskollegen, und die meinen, schön dass Sie da sind, aber das brauchen wir eigentlich gar nicht bzw. wir brauchen etwas ganz anderes. Was macht man dann?

Dann schaut man sich an, aus welchen Motiven das kommt: Fühlen sie sich bedroht, in ihrer Arbeit nicht genug wertgeschätzt oder haben sie das bisher immer für ihren Bereich selbst gemacht und sehen keinen Vorteil darin, wenn das nun jemand unternehmensweit steuert? Kommt die Aussage aus einem gewissen Frustrationserlebnis heraus, das mit ihrem Arbeitsumfeld zusammenhängt oder hat die Aussage einen Systemcharakter, verweist also auf tatsächliche Probleme oder Widersprüche?

Wenn ich die persönlichen Motive entkräften kann, kümmere ich mich um das Systematische und das diskutiert man dann sehr wohl. Wenn das immer wieder kommt, dann ist das auch etwas, das man mit dem Vorstand diskutieren muss: Das ist das Stimmungsbild, der Eindruck, die Situation hier im Haus, Sie wollen genau das Gegenteil, ist dem auch so? Da gilt es, den Auftrag klar zu gestalten. Wenn der Auftraggeber sagt, ja, machen Sie das einmal so, dann müssen Sie sich eben überlegen, wie Sie das machen.

Im konkreten Fall war der Auftrag....

...die Kommunikationsstruktur aufzubauen, den Restrukturierungs- und Sanierungskurs des Unternehmens kommunikativ zu begleiten und das Image des Unternehmens in Richtung Dienstleister zu stärken. Kommunikation nach außen und innen. Es ging darum, klar zu kommunizieren, wo geht die Reise hin, welche Maßnahmen müssen daher gesetzt werden, welche Hindernisse müssen wir dazu überwinden, was wollen wir erreichen und vor allem, immer wieder zu begründen: Wir machen das, weil....

War die Zuschreibung, Sie sind das Sprachrohr des Vorstandsvorsitzenden?

Ja, vom Gesamtvorstand nach außen und vom Generaldirektor nach innen.

Womit fangt man als neue Führungskraft nun konkret an? Wo greift man zuerst hin?

Zuerst geht es um ein Abklären der Zielparameter, wo wollen wir hin? Dann folgt die inhaltliche Konzeption: Was ist die Strategie des Hauses? Dem folgt dann die Organisation. Ich habe das immer so aufgesetzt: Inhalt vor Organisation. Was tun wir, wie machen wir es, wo sind besondere Baustellen, wo muss man mehr machen? So ist das dann gewachsen. Zielabklärung, Konzeption und dann die Organisation mit den Prozessen. Oft passiert es umgekehrt, nach dem Motto: Ich baue mir meinen Machtbereich auf und dann schauen wir, wie wir das füllen. Das war hier anders.

Wie einfach bzw. schwer kann man in einer großen Organisation etwas verändern?

Das war gar nicht so schwer, denn in einigen Bereichen ging es um den Aufbau von etwas Neuem, das es bisher noch nicht gab. Z.B. gab es bislang kaum Marketing, Vertrieb. Hier neue Strukturen zu schaffen, ging relativ einfach. Man braucht nicht zu glauben, dass große Konzerne so unbeweglich sind. Wo ein Druck da ist, da verändert sich das auch. Heute ist es dort vielleicht schon wieder etwas schwieriger, weil die Basisstrukturen stehen. Heute geht es im Unternehmen eher um schlanker werden, schneller werden, sich besser zu vernetzen, verzahnen. Damals ging es darum, Bewusstsein zu schaffen, was es heißt, professionelle Pressearbeit zu machen, ein Mitarbeiter des Kommunikationsbereichs zu sein, Projekte zu begleiten, eine Marke aufzubauen.

Was haben Sie zuerst angepackt?

Das erste war die Zielabsprache, wo geht es lang, wo sind die großen Hürden, worauf müssen wir uns einstellen? Reichen Gummistiefel oder brauchen wir Moonboots? Partiell haben wir uns die Moonboots angezogen und uns auf Krisenmanagement vorbereitet. Es gab damals gerade eine Fülle von Presseberichten und da galt es, die Kommunikation in geordnete Bahnen zu lenken. Insofern war es wichtig, zuerst das Inhaltliche aufzustellen, das Konzept zu bauen und gleichzeitig intensive Presse- und PR-Arbeit und Mitarbeiterkommunikation zu betreiben. Das Erste war, bei der Pressearbeit professionell zu agieren und zu schauen, welche institutionalisierten Kommunikationskanäle benützen wir - Mitarbeiterzeitung, Newsletter - das Intranet aufzubauen und, und, und. Der nächste Punkt war dann nach außen hin der Bereich Werbung, Events, Sponsoring. Das war bereits der zweite Schritt.

Ich habe immer unterschieden zwischen institutionalisierter Kommunikation (massenmedialer Kommunikation), und nicht-institutionalisierter Kommunikation, das ist alles Persönliche, das Informelle. Für die institutionalisierte Kommunikation mussten wir die passenden Instrumente aufstellen, die Sendemöglichkeiten schaffen, denn es nützt nichts, wenn wir die Informationen haben und sie nicht senden können.

Es gab also eine Stabstelle interne und externe Kommunikation und Bereiche wie Marketing, Vertrieb. Kommt man sich da nicht in die Quere?

Natürlich, das ist ein permanenter Prozess, das haben Sie als Stabstelle immer. Noch dazu wenn Organisationen dauernd verändert werden, wenn Personen ständig neue Aufgaben und Funktionen übernehmen und Sie permanent die Schnittstellen neu definieren müssen. Diese Konflikte sind sozusagen „permanent sound“.

Wenn der oberste Boss jemanden von draußen holt und eine neue Stabstelle einrichtet, dann gibt es ja noch Vorstandskollegen. Was passiert, wenn es unterschiedliche Aufträge gibt?

Dann müssen Sie das lösen. Wenn ein Geschäftsbericht korrigiert wird und es kommen vier Vorstände mit unterschiedlichen Korrekturen, dann müssen Sie eine Lösung finden, das ist das die Aufgabe. Entweder, indem Sie einen Kompromiss finden oder indem Sie besprechen, ob es nun nach A oder nach B geht. Manchmal müssen Sie auch in einen Konflikt hineingehen. Dass es immer reibungslos geht, ist illusorisch.

Gab es im Haus nicht ganz unterschiedliche Zugänge zum Thema Kommunikation?

Ja, freilich. Wir hatten zu Beginn auch noch zig freiberufliche Graphiker und jeder hat seine Designs gemacht, wie er gerade geglaubt hat. Ebenso hat damals jeder mit Journalisten geredet, also haben wir dann "communication guidelines" herausgegeben, wo klar geregelt wurde, wer wo wann wie mit wem redet. Das war relativ klar, dass man das einfangen und dabei Überzeugungsarbeit leisten muss. Genauso, dass ein Corporate Design einen Nutzen hat und dass die Farben und Formen zur Wiedererkennung zu nutzen sind.

Wenn man in ein großes Unternehmen hineinkommt, dann dauert es ja sehr lang, bis man die nötigen Netzwerke und Kontakte aufgebaut hat. Wie kommt man schnell ins Spiel?

Mit Themen und Projekten. Sie lernen entlang ihrer Projektstrasse sehr schnell Ihre Schlüsselspieler kennen. Das folgt meistens nach der ersten Besuchstour.

Bekommt man bei dieser Kennenlerntour nicht gleich eine Menge Arbeitsaufträge mitgeliefert? Und wenn man mit etwas anderem anfängt, läuft man da nicht Gefahr, dass viele dann gleich verärgert sind? "Jetzt sage ich ihr eh schon, was dringend gemacht gehört und dann macht sie was anderes".

Die Gefahr ist da. Ich habe aber weniger gefragt, was wollen Sie, sondern was erwarten Sie von der Kommunikation. Und eine Erwartungshaltung ist etwas anderes als Aufträge. Die Erwartungshaltungen waren sehr unterschiedlich. Die einen haben gesagt, ich erwarte mir da und da Unterstützung, andere haben  gesagt, im Moment brauche ich nichts, erst in einem Jahr.

Was muss man in der ersten Woche machen, was im ersten Monat?

Das möchte ich so nicht sagen, es ist jeder Mensch anders. Jeder hat einen anderen Zugang. Einige machen am Anfang überhaupt nichts, hören sich nur alles an und schlagen dann plötzlich über Nacht zu. Ich glaube nicht, dass es da Patentrezepte gibt, aber es gibt ein paar Grundregeln, die man beachten sollte. Das ist, dass man versucht, den ersten Eindruck gut zu steuern und sich in der weiteren Zusammenarbeit Spielregeln mit den Kollegen auszumachen. Manche halten sich vielleicht nicht dran, aber mein Eindruck war immer, dass man sich mit Vielen verschiedenes ausmachen kann. Manche haben halt eine Agenda, die genau gegen die eigenen Intentionen ist, gut, dann muss man auch damit leben. Ich glaube nicht, dass es ein Erfolgsrezept gibt, das für jeden gleich passt. Der eine ist jemand, der am Anfang länger braucht und dann schnell wird. Der andere ist wieder sehr spontan, initiativ und impulsiv.

Wie lange braucht man, um sein Team zusammen zu haben?

Ich glaube, dass man sich zwischen einem und drei Monaten geben muss, bis alles steht. Das hängt davon ab, wie groß das Team ist.

Was war am Anfang eher energiefördernd, was energiehemmend?

Energiefördernd war das große Vertrauen, das ich vom Generaldirektor bekommen habe und das Vertrauen, das mir von den Mitarbeitern entgegen gebracht wurde, weil es mit gelungen ist, einen Großteil von ihnen, nicht alle, gleich mit an Bord zu bekommen. Hinderlich sind Personen, die sich nicht bewegen, weder geistig noch geographisch noch emotionell.

Man kommt also in die neue Position, hat ein gewisses Konzept im Kopf, macht einen reality check in der Organisation - was ist schon da, in welche Richtung lief es bisher, was kann man beibehalten, wo setzt man an, wo ist am meisten Widerstand zu erwarten - und dann..?

Dann machen Sie den Check nach draussen, mit den Journalisten, Kunden, Politikern, je nachdem, mit wem Sie zu tun haben. Dann sind da die early wins, die Sie brauchen. Z.B. dass die Organisation innerhalb von drei Monaten gestanden ist und zwar komplett, dass die ersten großen Entwicklungen des Corporate Designs in Gang gesetzt wurden, dass Intranet und Internet konzeptiv vom Stapel gelaufen ist.

Wann kann man sagen, jetzt läuft es?

Nach 2 Jahren. Nach einem Jahr haben Sie einmal einen Jahresdurchlauf gemacht. Im zweiten Jahr merken Sie dann schon, viele Dinge wiederholen sich, viele Dinge machen Sie anders. Zwei Jahre sind eine Zeitspanne, in der man beurteilen kann, ob es passt. Vorausgesetzt, man nimmt sich die Zeit und man bekommt sie. Nach drei Monaten kann ich quick wins abholen. Aber man kann die 100 Tage nicht ungeschaut überall hin übertragen. In einem High-Speed-Unternehmen kann das zu lang sein, in einem anderen Unternehmen viel zu kurz.

Eine wichtige Frage ist immer auch: Wer war der Vorgänger? Was ist mit dem passiert? Möglicherweise war er in der Mannschaft beliebt, wurde aber hinausgeschossen, oder er ist die Treppe hinaufgefallen. Welche Erfahrungen haben Sie da?

Über den Vorgänger herzuziehen und zu schimpfen, ist taktisch wohl das Unklügste, was man tun kann. Aber es ist etwas, das immer wieder vorkommt. Dann hört man z.B. "Das rührt noch von meinem Vorgänger, da hat der aber einen Blödsinn gemacht." Man muss meines Erachtens nach strikt unparteiisch bleiben. Man kann sagen, das was er gemacht hat, hat er gemacht, das waren andere Zeiten, andere Rahmenbedingungen. Wir machen das heute etwas anders. Das ist wieder eine Frage des Umgangs, der Wertschätzung. Es gibt sogar Bücher, die sagen, mach den Vorgänger nieder. Und Manche sind darin sehr erfolgreich. Das geht so weit, dass sie über den Vorgänger Gerüchte verbreiten, und ihn damit wirklich kaputt machen können, auch am Markt.

Manager wechseln heute immer schneller die Positionen und Jobs, was ist eine gesunde Verweildauer?

Ich glaube, dass es da zwei Seiten gibt. Einerseits wird die Wirtschaft einfach schnelllebiger und das, was Sie gestern versprochen haben, gilt morgen bei neuen Rahmenbedingungen einfach nicht mehr. So ist es. Marktseitig. Das heißt, man muss sich permanent umstellen. Der Lebenszyklus der Top-Manager verkürzt sich, das stimmt, es gilt aber für Branchen sehr unterschiedlich. Ganz oben wird es flotter, im Mittelbau ist es eher träge und ganz unten, auf Mitarbeiterebene, ist es auch flott. Durch das Tempo wird den Managern heute auch mehr abverlangt als früher. Der Verbrauchsgrad an Eigenenergie ist um vieles höher. Deswegen kommt es auch immer schneller zu Wechseln, die auch die Manager nicht mehr wollen. Ein anderer Punkt ist, dass man heute lieber Köpfe austauscht als Konzepte. Es ist immer leichter, wenn etwas nicht gut läuft, die Manager hinaus zu werfen als das Konzept grundlegend zu überdenken und zu wechseln.  Das machen nicht viele Unternehmen. Das trägt das seine dazu bei, dass die Beschleunigung größer wird.

09.2004

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