Erfolgsfaktoren bei Auslandsentsendungen

Mag. Judith Seher, Department Manager, Expatriate Services der OMV Solutions GmbH, und Christina Haug, HR-Managerin CEE im OMV-Geschäftsbereich "Raffinerien und Marketing" über die notwendigen Beiträge von Organisation und entsandter Person, damit Auslandsentsendungen erfolgreich verlaufen.

Wie ist die Betreuung der Expatriates bei der OMV organisiert?

Bei der OMV gibt es eine eigene Abteilung "HR Management & Consulting, Expatriate Services", die in der OMV Solutions GmbH, einem integrierten Shared Service Center in Wien, angesiedelt ist. Unsere Abteilung ist für die Betreuung der OMV Expatriates weltweit zuständig. Die Auswahl des Expatriates obliegt dem HR-Management des einzelnen Geschäftsbereiches. Nach Beauftragung übernehmen wir die Vertragerstellung, schnüren für den Expatriate ein "Entsendungspaket gemäß den Richtlinien" und klären mit dem Expatriate offene Fragen zu seiner Auslandsentsendung ab, etwa: Wie verhält es sich bei der Entsendung mit den Steuern, der Sozialversicherung, den Einreiseerfordernissen, der Wohnungsuche und Übersiedlung. Dazu arbeiten wir mit Relocation Agencies, die die Mitarbeiter vor Ort unterstützen.

Ich nehme an, die meisten Expatriates bei Ihnen sind Spezialisten?

Hauptsächlich geht es um Experten und Führungskräfte. Nachdem die OMV die rumänische Petrom übernommen hatte, waren wir unsicher, wie viele Mitarbeiter bereit sein würden, nach Rumänien zu gehen, aber inzwischen sind es bereits über 100 Mitarbeiter, wobei die meisten Entsendungen auf 3 bis 5 Jahre angelegt sind. Eine Herausforderung besteht freilich  in der Frage: Was passiert danach? Stichwort Repatriierung.

Kann man das angesichts des ständigen Umbaus der Organisationen überhaupt am Beginn beantworten?

Wir haben einen speziellen Prozess für die Repatriierung erarbeitet. Das beginnt damit, dass die Expatriates in ein jährliches Appraisal, ein Mitarbeitergespräch, einbezogen werden und in die Karriere-Nachfolgeplanung. Diesen Planungsprozess haben wir für jede Position. Dabei wird jährlich mit dem Top-Management besprochen, wer da jeweils ein entsprechender Nachfolger sein könnte und in diese Überlegungen werden Expatriates explizit mit einbezogen, damit auch immer ein enger Bezug zur Heimatorganisation aufrecht erhalten wird. Sie gehen also nicht einfach ins Ausland und dann hört man nichts mehr von ihnen, bis die Rückkehr ansteht, sondern sie bleiben integriert in unsere jährlichen Planungen. Spätestens neun Monate vor Ende der Entsendung wird gefragt, ob der Vertrag dort verlängert wird. Wenn nicht, haben wir neun Monate Zeit, aufbauend auf den jährlichen Planungen Varianten zu finden.

Wie schwer ist es, wieder eine geeignete Position und Aufgabe zu finden?

Bis jetzt hat es immer geklappt und das ist uns auch ein sehr großes Anliegen. Ganz wichtig ist das gegenseitige Erwartungsmanagement vor der Entsendung, d.h. den Mitarbeitern klar zu sagen, was alles passieren kann. Es gibt Entsendungen, z.B. zur Petrom, wo junge Menschen große Karriereschritte machen können und dort gleich einmal drei, vier Stufen hinaufgehen. Leute mit Anfang 30, die dort für 10.000 Mitarbeiter verantwortlich sind. Solche Jobs gibt es in Wien gar nicht. Da ist klar, dass man klar stellen muss, was bei der Rückkehr realistisch ist und was nicht.

Gibt es typische Erwartungen der Mitarbeiter und typische Botschaften des Unternehmens?

Ja, natürlich gibt es die Erwartung, dass man dann einen entsprechenden Karriereschritt macht. Zweitens der finanzielle Aspekt. Oft redet man von dem Kulturschock, wenn Mitarbeiter entsendet werden, aber ich habe den Eindruck, dass der Kulturschock viel eher passiert, wenn die Leute zurückkommen. Denn dort ist man vielleicht Direktor, hat möglicherweise sein eigenes Haus, und kommt dann zurück ins "alte" Leben. Auch aus dem Grund ist es enorm wichtig, dass für den Mitarbeiter bei den vertraglichen Regelungen transparent ist, was in diesem Package das Gehalt für die Funktion ist, und was Zusatzbenefits aufgrund der Entsendung sind, die bei der Rückkehr wieder wegfallen.

Was ist in so einem Package enthalten?

Es gibt ein Basisgehalt, zu dem die Person im Heimatsystem angestellt bleibt. Das ist unser Grundansatz, dass wir mit vielen Dingen auch mental im Heimatsystem bleiben, etwa der Sozialversicherung und den Steuern. Also zum einen ein Package fürs Gehalt. Dann die Zulagen, abhängig davon, in welches Land es geht. Und als Drittes ein Kostenersatz für die Mitarbeiter, aufgrund der Tatsache, dass sie ins Ausland gehen. Das sind klassische Dinge wie die Wohnung vor Ort und die Schule für die Kinder. Der Kostenersatz ist aber etwas, das den Mitarbeiter in dem Sinn nicht motiviert, da das ja Kosten sind, die er hier gar nicht hätte. Gleichzeitig muss der Mitarbeiter auch eine gewisse Flexibilität mitbringen. Denn wir entsenden ja nicht nach Paris oder New York, sondern nach Rumänien, Jemen, Pakistan, etc. Das beginnt bei Dingen wie Strom- oder Telefonanmeldung, wo man auf eine andere Mentalität trifft und nicht erwarten kann, dass dort alles so funktioniert wie bei uns.

Bis man als Unternehmen genau weiß, was einen dort erwartet, braucht man auch einige Zeit, oder?

Das kommt darauf an, wo es hingeht, ob ich auf externe Daten zugreifen kann bzw. ob ich in meinem Expertennetzwerk jemanden habe, der da bereits Erfahrungen vor Ort hat. In vielen Bereichen gibt es schon gute Benchmarks und Firmen vor Ort sowie Spezialisten in den einzelnen Bereichen, die vor Ort beraten. Mercer ORC, ECA sind da führend. Wichtig ist, als Unternehmen eine einheitliche Policy zu haben, eine Systematik. Der Mitarbeiter muss so wie bei allen Personalthemen auch hier das Gefühl haben, dass alles fair und transparent zugeht.

Wenn ich als Mitarbeiter entsendet werde, bleibe ich dann hier angestellt und bekomme Zusatzleistungen, oder werde ich vom Land, in das entsendet wurde, übernommen?

Das ist grundsätzlich einmal eine Unternehmensentscheidung. Es gibt verschiedene Varianten. Bei der OMV machen wir klassische Entsendungen, bei welcher der Mitarbeiter im Heimatland angestellt bleibt und grundsätzlich vertraglich die Möglichkeit hat, zurückzukommen. Er bleibt in seinem bisherigen Sozialversicherungssystem. Eine andere Variante ist, befristet ins Ausland zu gehen, einen lokalen Vertrag abzuschließen und den Heimatvertrag für diese Zeit zu suspendieren. Eine dritte Variante wäre der Poolgedanke, was speziell amerikanische Konzerne häufig machen. Die sagen sinngemäß: "OK, wenn du zum internationalen Kader gehören willst, dann meldest du dich einmal für diesen Kader und dann unterliegst du den hier gültigen Regelungen. Dann musst du flexibel sein und wenn wir dich wo brauchen, gehst du dorthin." Dann hat man in dem Sinn kein Heimatland mehr. D.h. da gibt es sehr unterschiedliche Ansätze. Man muss sich anschauen, in welcher Entwicklungsphase im Bereich Entsendung sich die Firma befindet und in welcher Branche. Bei der OMV war es bis vor 5 Jahren eher so, dass es eine Bewegung aus Österreich hinaus und dann wieder zurück war, heute passiert der Austausch bereits international.

Expertenwissen ist klar, aber wozu braucht man speziell Führungskräfte?

Bei der Petrom ging es nicht rein um Expertenwissen, sondern um gewisse Standards in der Führungskultur, um Organisationsfragen, um Systeme, die es zu transformieren gilt. Da gibt es gemeinsame Führungsprogramme, Führungskräfte, die von der Petrom nach Wien entsendet wurden und umgekehrt, viele Austauschprogramme, schon auf Ebene der Trainees. Da passierte bereits ein starkes Lernen voneinander, von dem beide Seiten profitiert haben. Zudem war es nicht so, dass wir Führungskräfte entsendet haben, die dann dort das Ruder übernommen haben, sondern meistens gab und gibt es Tandems aus einem einheimischen Manager und einem von der OMV. Und die sind auch nicht immer Österreicher, sondern häufig auch Bulgaren, Ungarn oder von außen rekrutierte rumänische Manager.

Wie steht es um die private Situation und ihren Einfluss auf Entsendungen? Ist das oft ein Hindernis?

Ich würde es positiv formulieren. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass das Unternehmen dem Mitarbeiter klarmacht, dass eine Entsendung eine Entscheidung der ganzen Familie sein muss. Das Unternehmen kann Rahmenbedingungen definieren, innerhalb derer wir einen Beitrag leisten können. Aber man muss auch definieren, was dann private Entscheidungen sind. Der erste Schritt für den Mitarbeiter ist, zu entscheiden, ob er überhaupt entsendet werden will. Oder glaubt er nur, nicht nein sagen zu können? Die nächste wichtige Aufgabe des Mitarbeiters ist, mit seiner Familie abzuklären, ob eine Entsendung in seine und ihre Lebenssituation passt. Für Kinder übernehmen wir die Schule, das ist wichtig, aber "dual career" können wir beispielsweise nicht berücksichtigen. Es gibt Länder, in denen Partner sofort arbeiten können, Länder, in denen Sie für eine Arbeitserlaubnis ein konkretes Jobangebot vorweisen müssen und Länder, in denen der Partner gar nicht arbeiten kann. Das Unternehmen kann da vielleicht persönliche Netzwerke nutzen, aber von unserer policy her ist klar: Hier gibt das Unternehmen kein Versprechen ab. Ein anderer Punkt ist: Eine Entsendung ist befristet angelegt. Das heißt, dass man in dem Unternehmen, in das man entsandt wurde, keinen dauerhaften Arbeitsplatz hat. Wenn also jemand dort bleiben will, z.B. aus privaten Gründen, muss die Organisation vor Ort entscheiden, ob die Person übernommen werden kann oder nicht. Dann bekommt sie einen lokalen Vertrag, wodurch Expat-Zulagen klarerweise wegfallen.

Was ist noch wichtig zu bedenken?

Wir bieten den Mitarbeitern immer einen Look-and-See-Trip an. D.h. sie können einmal mit dem Partner hinfahren und sich selbst einen Eindruck vor Ort verschaffen. Problematisch ist es, wenn Mitarbeiter entsendet werden, wo man dann merkt, dass die Partner das nie wollten. Denn das ist häufig zum Scheitern verurteilt und trägt sicher nicht positiv zur Stimmung vor Ort bei. Meist ist es ja für den Partner viel schwieriger als für den/die Entsendete/n selbst. Denn die entsendete Person ist schnell eingebettet in die Organisation, baut dort Kontakte auf, trifft neue Leute, ist den ganzen Tag beschäftigt. Der Partner sitzt hingegen in einer schönen Wohnung oder einem Haus, aber ohne gesellschaftlichen Anschluss.

Wenn Sie ein Jemand nach Anfängerfehlern oder Fallen fragt, was raten Sie?

Ich muss mir als Firma überlegen: Was bin ich bereit zu zahlen und was übernehme ich nicht? Daher braucht es transparente Regelungen. Natürlich ist jede Situation, gerade im Privaten anders, aber die Grundsatzregelungen sollten proaktiv geregelt werden. Dann sollte man grundsätzlich klären: Ist eine Auslandsentsendung Teil der Karriere, die ich bei Beförderungen voraussetze - in dem Fall gebe ich vielleicht keine so großen monetären Anreize - oder gibt es andere Beweggründe? Ein weiterer Punkt ist der Bereich Steuern und Sozialversicherung. Da machen viele kleinen Unternehmen den Fehler, sich bis ins letzte Detail zu vertiefen. Warum macht man nicht eine Nettovereinbarung oder Hypotaxvereinbarung, die regelt, dass der Mitarberiter weiterhin abgerechnet wird, wie wenn er im Heimatland Steuern zahlen würde. Die tatsächliche Steuerlast im Gastland übernimmt das Unternehmen. Ein Anfangsfehler ist, den Mitarbeiter zu sehr in die Steuerthemen zu involvieren. Die enormen Gehaltsunterschiede in den Ostländern spielen insofern keine große Rolle, weil ich ja Experten oder Manager entsende und in diesen Bereichen die Gehaltsunterschiede wesentlich geringer sind. Teilweise verdienen die lokalen Leute dort sogar mehr als bei uns. Vieles von dem, was ich einem Expat bezahle, ist ja Kostenersatz, z.B. für das Wohnen oder die Schule, das hat nichts mit dem Gehalt zu tun. Ein letzter wichtiger Punkt ist, dass die Rückkehr ein beidseitiger Prozess ist, der auch in der Verantwortung des Entsandten liegt. Das Unternehmen leistet etwas – in unserem Fall die Einbindung in Mitarbeitergespräche, in die Karriereplanung usw. - aber der Entsandte muss auch selbst aktiv seine Netzwerke pflegen, Kontakt zur Heimatorganisation halten und über seine nächsten Schritte nachdenken. Auch das sollte man schon in der Vorbereitung der Entsendung ansprechen.

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