Teamphase 2: Konflikt und Klärung

Vor allem die zweite Phase in der Teamentwicklung  - Konflikt, Konkurrenz, Klärungen - ist anspruchsvoll und voll von typischen Kampf- und Fluchtmustern.

Während es in Phase 1 vor allem um Orientierung und Kennenlernen geht - sozusagen den "emotionalen Einstieg" mit Schwerpunkt auf Klären, Verstehen und Verständnis und dem Austausch von Sichtweisen, Stellungnahmen und Argumenten, bis sich ein differenziertes Bild, eine weitgehend gemeinsame und tragfähige Meinung zu den Dingen entwickelt hat – geht es in Phase 2 schwerpunktmäßig um das Finden des eigenen Platzes im Team: Wer bin ich hier?

 

Phase 2 Inhalte und Aufgaben Soziale Struktur und Interaktionen
Konflikt und Klärung
  • Entweder-oder-Diskussion
  • Mehr Energie auf die Aufgabe
  • Diskrepanz: Aufgabe und persönliche Orientierung
  • Widerstand gegen Aufgabe und Methoden
  • Definieren von Aufgabenrollen
  • Individualität
  • Verteidigen von Territorien
  • Polarisation
  • Politik
  • ungleichmäßige Interaktion
  • Kampf um Macht und Status – Verhaltensexperimente
  • Alle wollen Einfluss, jeder will Anerkennung. Angesagt ist Konfliktmoderation "ohne hohen Puls und Blutdruck". Die Gruppe sollte der Stimmung im Team und Gefühlszuständen zwischen Personen hohe Aufmerksamkeit schenken, Spannungen offen ansprechen und ihre Ursache möglichst konkret und direkt nachfragen.

    Ist die "Rangelei" um die eigene Bedeutung vorherrschend, sind sozialer Rang, Einfluss, Profilierungschancen noch umstritten, wird eine Teamsitzung schnell zur "Nahkampfzone" mit typischen, häufig widerkehrenden Spielmustern, d.h. häufig widerkehrenden Handlungs- und Beziehungsmustern, die eingesetzt werden, um eigene Interessen durchzusetzen, die anderer dagegen zu blockieren oder einfach nur, um sich ins Licht zu setzen, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und sich so zumindest situative Bedeutung zu verleihen.

    Das Politik-Kumpel-Spiel

    Im Vorfeld einer Besprechung werden Bündnispartner gesucht, Meinungen abgestimmt und ein Schlachtplan abgesprochen, um diesen dann in der Sitzung selbst manipulativ umzusetzen.

    In einer vorher abgesprochenen Rollenverteilung werden Bedenken hochgespielt, falsche, irritierende Informationen eingestreut und es wird auf "unverzichtbare" Nichtanwesende hingewiesen, bis das Thema – zumindest vorerst – ergebnislos abgesetzt wird.

    Machtpoker

    Ein Teammitglied, dem Expertise zugeschrieben wird oder dessen hierarchischer Rang oder akademischer Titel Bedeutung vermuten lässt, übernimmt die Rolle des Zensors. Als solcher bestimmt er, was gesagt werden darf, was davon richtig ist und was falsch ist – und deshalb vom Tisch muss.

    Oder genau umgekehrt: Ein oder mehrere Teammitglieder von Rang oder mit vermuteter Expertise schweigen demonstrativ zu einem Thema. Sie verfolgen – angeblich hoch interessiert – die Diskussion jener, die nun immer unsicherer werden, da relevante und mit Recht erwartete Stellungnahmen fehlen. Dies löst Irritation, manchmal sogar Angst aus. Auf jeden fall behindert es eine differenzierte Meinungs- und Willensbildung.

    Eine weitere Variante könnte so aussehen: Jene, denen Einfluss und Expertise zugeschrieben wird, nehmen ein Teammitglied, dessen Argumentationsrichtung ihnen nicht passt, regelrecht auseinander.

    Klagemauer

    Zunehmend mehr Teammitglieder stimmen in ritualisierte Klageformeln ein, zum Beispiel, dass man ohne Unterstützung von oben eben nicht weiterkomme, dass bei der personellen Unterbesetzung des Teams die Ziele nie zu schaffen seien oder dass der Ressourcengeiz oder die "Mauerhaltung" der zuarbeitenden Fachbereiche wieder einmal besonders typisch seien. Die Zeit verrinnt – aber eine ernst gemeinte Diskussion auf der Suche nach Lösungen entsteht nicht.

    Eine Variante ist das Opferspiel: Ein oder mehrere Mitglieder deklarieren sich selbst zum Opfer und zelebrieren so lange ihre persönliche Kränkung, bis sie ausreichend mit Mitleid versorgt werden und dadurch die anderen von ihrem Streben abgebracht haben, das Problem anzugehen.

    Killer

    Bei jeder Schwierigkeit, bei jedem Konflikt wird eine Krise proklamiert und der dafür Schuldige gesucht. Oder – eine Erweiterung – der "schwarze Peter" wird ständig von einem zum anderen weiter gereicht. Für Lösungsschritte bleibt dabei natürlich keine Energie mehr übrig.

    Wenn eine Idee die nächste – natürlich bessere – jagt, kommen einige Mitglieder bisweilen auf den Gedanken, dass man sich durch das Abschießen von Ideen anderer ebenso gut – und mit weniger Aufwand –profilieren kann wie durch das Hervorbringen eigener Ideen. Und das tun sie dann durch einfallsreiche Korrekturen mithilfe spitzfindiger "kompetenter" Einwände. Auch dies ist eine exzellente Möglichkeit, eine Gruppe energiemäßig zu entkräften.

    Vom Hölzchen zum Stöckchen

    Jede Diskussion landet auf einem unbedeutenden Nebenkriegsschauplatz, wo dann die Kraft verloren geht, ohne dass Handlungsansätze oder Lösungsstrategien sichtbar würden.

    Oder aufgrund eines Reizwortes hakt sich die Diskussion an einer Stelle fest und kommt davon nicht mehr weg. Oder umgekehrt: Aus jedem Beitrag wird ein Aspekt vom nächsten aufgegriffen. Das Resultat: ein ständiger Themenwechsel, kein verbindender roter Faden.

    Strohfeuer

    Ein Team produziert zu Beginn eines Problemlösungs- oder Entscheidungsprozesses eine Vielzahl von kreativen Ideen, Vorschlägen, Ansätzen und Perspektiven. Wenn diese dann ausreichend bejubelt wurden und sich das Team entsprechend selbst gewürdigt hat, verblasst die Vitalität im Team und die Energieversickert. Von nun an dominieren Ausreden, Einwände und Rückzugsgefechte.

    Fazit: Gelegentlich braucht es Mut, "die Decke wegzuziehen", d.h. eine Meta-Reflexion, in der man darüber redet, was jetzt eben gerade lief, was die Mitglieder des Teams wahrgenommen, wie sie sich dabei gefühlt und welche Vermutungen sie darüber entwickelt und welche Rolle sie selbst dabei gespielt haben. Dabei – und das ist die Kunst dabei – darf es nicht darum gehen, den Streit mit anderen Mitteln weiterzuführen, sondern es geht um die Sensibilisierung für drei wichtige Faktoren erfolgreicher Teamsteuerung.

    Die drei wichtigen Faktoren erfolgreicher Teamsteuerung

       

    • Erstens die Fähigkeit, das Teamgeschehen selbst zum Thema zu machen, es aus der Helikopterperspektive zu betrachten und die eigene Befindlichkeit dabei sichtbar zu machen, um die emotionale Lage des Teams zu erkunden.
    • Zweitens gemeinsam Muster im Teamgeschehen zu entdecken, zu identifizieren, zu betrachten, wie solche Muster entstehen und offen darüber zu reden, wo sie als förderlich und wo sie als hinderlich erlebt werden.
    • Drittens diese Basismechanismen der Selbststeuerung – so unüblich und bedrohlich sie gerade in aufgeheizten Konfliktsituationen auch sein mögen – handhaben zu lernen, um sie dauerhaft als bewusste und zunehmend selbstverständliche Intervention im Teamprozess zu praktizieren.

    Natürlich wird der Erfolg nicht sofort eintreten. Es werden viele Versuche unternommen werden, "die Decke festzuhalten": mit Ironie oder demonstriertem Unbehagen, mit echter oder gespielter Hilf- oder Ratlosigkeit, Fragen nach dem Nutzen, Hinweisen auf die knappe Zeit etc. Das die Reflexion, das Feedback und das offene Ansprechen dessen, was man gesehen und erlebt hat, nicht automatisch zum Tribunal werden, in dem Personen an den Pranger gestellt werden, sondern dass dieser Prozess ein nützliches Werkzeug ist, um Arbeitsfähigkeit (wieder) herzustellen, muss sich erst in der konkreten Erfahrung als glaubhaft erweisen. Gelingt dies, kann eine bedeutende Resource für die Leistungsüberlegenheit von Teams optimal genutzt werden.

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