Team oder kein Team?

Wann macht es Sinn, von einem Team zu sprechen, wann nicht?

Interessanter Weise gibt es zwar unzählige Unterlagen und Bücher zu der Frage, wie man Teams bildet und entwickelt, doch die zentrale Frage, ob es im konkreten Fall überhaupt ein Team braucht und sinnvoller Weise überhaupt von "Team" gesprochen werden sollte, wird häufig nur beiläufig angerissen.

Ein nützlicher Ausgangspunkt jeder Überlegung zu Teams ist die zugrundliegende Aufgabe und die damit verbundene Frage, ob diese Aufgabe besser arbeitsteilig von Einzelpersonen erfüllt werden kann oder ob sie nur oder wesentlich besser durch das Zusammenwirken mehrerer Personen zu erfüllen ist.

Nach Ansicht von Prof. Dr. Albert Martin vom Institut für Mittelstandsforschung der Universität Lüneburg lassen sich Aufgaben grob unterteilen in Aufgaben, die für Einzelarbeit prädestiniert sind, Aufgaben, bei denen es zur Vermischung von Einzel- oder Teamarbeit kommt sowie Aufgaben, die überhaupt nur durch das Zusammenwirken mehrerer Personen zu bewältigen sind und daher nach Teamarbeit verlangen. Nachfolgend einige Beispiele:

Aufgaben für Einzelarbeit Vermischung von Einzel- und Gruppenarbeit Aufgaben für Teamarbeit
Gedichte schreiben Theorieentwicklung eine Expedition durchführen
Segelfliegen ein Düsenflugzeug fliegen ein Flugzeug entwickeln
LKW fahren ein Fahrzeug montieren Fußball spielen
Schuhe besohlen eine Präsentation vorbereiten ein Zirkuszelt aufbauen

Auch wenn die Zuordnung keineswegs immer eindeutig ist und viele Aufgaben ebenso Einzelpersonen wie Teams zugewiesen werden können, steht doch das Kriterium im Vordergrund, ob eine Leistung primär durch eine einzelne Person erbracht oder ob sie nur oder in weit höherer Qualität durch das Zusammenwirken einer Gruppe erzielt werden kann. So definieren die Organisationsberater Klaus Doppler und Christoph Lauterburg ein Team als "eine Gruppe von Menschen, die durch gemeinsame Ziele und Aufgaben sowie durch regelmäßige Arbeitsbeziehungen miteinander verbunden sind". Ein gutes Kriterium ist daher das Ausmaß des Aufeinander-Angewiesen-Seins, des erforderlichen Zusammenspiels, um die gestellten Aufgaben und Ziele überhaupt erreichen zu können.

Wozu die Unterscheidung?

Ein klareres Bild von Teams zu bekommen ist vor allem deswegen hilfreich, weil mit dem selben Wort im Alltag oft zwei unterschiedliche Phänomene bezeichnet werden. Einerseits geht es um eine spezielle Arbeitsform "kleingliedriger, relativ autonomer, unternehmerisch und vernetzt handelnder Leistungseinheiten" (Doppler et.a. 2002), die sich besonders gut zur Lösung komplexer Aufgaben und Probleme eignet. Andererseits schwingen in dem Wort aber auch viele Hoffnungen und Sehnsüchte nach partnerschaftlicher, hierarchiefreier, konfliktarmer und harmonischer Zusammenarbeit mit, wodurch Teamarbeit zum Codewort einer ersehnten Revolution der Arbeitsbeziehungen wird.

So mögen sich zwar, um das zu konkretisieren, die MitarbeiterInnen eines Supermarktes als "Team" bezeichnen, dennoch handelt es hier vor allem um Einzelaufgaben, die von der Filialleitung koordiniert und einzelnen Personen zugewiesen werden. Etwa die Betreuung des Obst- und Gemüsebereiches, die Wursttheke, den Kühlbereich oder das Bedienen der Kassa und die Regelbetreuung. Ein Vorgesetzter, mehrere Mitarbeiter mit klar zugewiesenen Aufgabenbereichen und Einzelzielen, die selbständig zu erledigen und zu erfüllen sind.

Die Unterscheidung macht vor allem deswegen Sinn, um nicht die falschen Maßnahmen zu setzen, etwa, um beim obigen Beispiel zu bleiben, gleich eine Teamentwicklung zu initiieren, weil die KassiererInnen in einem Supermarkt nicht gut aufeinander zu sprechen sind, weil es, wenn sie nach Verstärkung läuten, immer zu lange dauert, bis eine weitere Kassa besetzt wird. Daher sind sie regelmäßig mit ärgerlichen Kunden konfrontiert, fühlen sich von den KollegInnen mangelhaft unterstützt und beklagen den "fehlenden Teamgeist". Statt über Teamentwicklung nachzudenken, wird es in diesem Fall wesentlich sinnvoller sein, eine klare Prozessregel zu vereinbaren, die heißen könnte: Mitarbeiter, die gerade Regale einräumen, haben dies beim Läuten der Glocke sofort zu unterbrechen, zum Kassenbereich zu eilen und eine neue Kassa aufzumachen, damit den Kunden lange Wartezeiten erspart bleiben.

Wirkliche Teams

Gruppen- bzw. Teamarbeit empfiehlt sich nach Prof. Martin nur dann, wenn die Zusammenarbeit nicht nur "additiv" ist, sondern aus der spezifischen Konstellation "Synergien" entstehen. Derartige "Prozessgewinne" sind dann zu erwarten, wenn sich die Fähigkeiten der Gruppenmitglieder wechselseitig ergänzen, wenn aus der selbstbestimmten Arbeitsteilung Produktivitätsvorteile resultieren, wenn durch Gruppenarbeit der Zusammenhalt gefestigt wird und wenn aus dem gemeinsamen Tun Begeisterung für die Aufgabe wächst.

Prozessgewinne Prozessverluste
Ergänzung der Fähigkeiten Verständigungsprobleme
Flexible Arbeitsteilung Abstimmungsprobleme
Gemeinschaftsgefühl Gruppendenken
Begeisterung Soziale Faulheit

Gruppen- oder Teamarbeit bietet sich immer dann an, wenn die Prozessgewinne größer als die Prozessverluste sind. Da die jeweils wirksamen Kräfte durchaus gegenläufiger Natur sind, bedarf es für wirkliche Teamfähigkeit zur Beherrschung dieser Kräfte eines bewussten und gezielten Aufbaus.

Wie leicht zu sehen ist, kann Teamarbeit aber auch nachteilig sein:

     

  • Unterschiedliche Fähigkeiten erhöhen zwar das Problemlösungspotential, sie führen aber nicht selten auch zu erheblichen Verständigungsproblemen.
  • Auch die Vorteile der Arbeitsteilung können sich auflösen, nämlich dann, wenn die mit der Arbeitsteilung verbundenen Abstimmungsprobleme nicht gelöst werden.
  • Ebenso gehen von einer starken emotionalen Bindung ambivalente Wirkungen aus. Einerseits stärkt sie die Bereitschaft, die eigenen Ziele zugunsten der anderen Gruppenmitglieder zurückzustellen, andererseits engt sie die Bewegungsfähigkeit ein: als opportun gilt nur das, was sich mit der Gruppenideologie verträgt, innovative und andersartige Ideen werden leicht als Abweichung und Bedrohung empfunden.
  • Schließlich muss Gruppenarbeit nicht begeistern, denn leider ist Motivation nicht ansteckend. Im Gegenteil: wenig motivierte Personen ziehen eine Gruppe meist auf ihr geringes Leistungsniveau herab. Außerdem liefert Gruppenarbeit häufig Anlass zur Versuchung von „Freerider-Verhalten“, also dazu, die anderen die Arbeit machen zu lassen, sich selbst aber tunlichst zurückzuhalten.

Arbeit im Team braucht Arbeit am Team

Von einem Team zu sprechen, macht also nur dann Sinn, wenn es eine gemeinsame Aufgabe gibt, ein gemeinsames Ziel und dieses nur durch die aktive Zusammenarbeit aller Teammitglieder erreichbar ist. Doch wirkliche Teamarbeit ist eben nicht nur Arbeit im Team, sondern ganz wesentlich auch Arbeit am Team. Denn Kooperation funktioniert nicht von selbst, sie erfordert Einsicht und Geduld, sie kostet Zeit, Engagement und Kraft. Es ist daher wenig erstaunlich, dass die Gruppenarbeit in der Praxis oft nicht das erbringt, was man sich von ihr erhofft.

An dieser Stelle setzen Konzepte zur "Teamentwicklung" an. In ihnen geht es darum, die Gruppe auf ein höheres Niveau, zu einem "höheren Reifegrad" zu führen und so die Motivation, Kooperation und Zusammenhalt und letztlich die Ergebnisse der Gruppe zu verbessern. Von einem "reifen" Team ist insbesondere dann die Rede, wenn das Team als spezielles soziales System verschiedene Lern- und Entwicklungsphasen durchlaufen und bestimmte Hürden gemeistert hat und es nun schafft, mit Problemen weitestgehend selbständig fertig zu werden (z.B. gemeinsam die Fragen geklärt hat: Was ist unser Ziel, unsere Aufgabe? Wer hat hier welche Rolle, wer hat welchen Einfluss? Wie gehen wir mit Problemen und Konflikten um?).

 Die vier Phasen der Teamentwicklung

Quellen: Prof. Dr. Albert Martin: Die Rolle des Führers bei der Entwicklung von Teams http://perso.uni-lueneburg.de/fileadmin/user_upload/Seiteninhalt/Dateien/Heft13.pdf  Doppler, Lautenburg: Change Management, Campus, 2002
Doppler, Fuhrmann, Lebbe-Waschke, Voigt: Unternehmenswandle gegen Wiederstände; Campus; 2002

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