"Sie müssen erkennbar sein"

Mag. Christian Havranek, Partner bei Deloitte Human Capital, über die Notwendigkeit klarer Profile und die geänderten Suchmöglichkeiten im heutigen Jobmarkt.

Wie erleben Sie erfahrene Führungskräfte, wenn diese einen neuen Job suchen?

Es macht einen großen Unterschied, was das Motiv ist. Ist die Führungskraft gegangen, weil ihr die Richtung, die das Unternehmen einschlägt, nicht gefällt, weil sie mit ihrem Chef nicht kann, weil das Geschäftsfeld weniger wichtig wird und sie keine Entwicklungsmöglichkeiten mehr sieht oder weil sie gehen musste? Damit verbunden sind sehr unterschiedliche Suchverhalten.

Inwiefern ist das anders?

Bei denen, die aktiv gehen, herrscht ein wenig die Erwartungshaltung vor, dass sie "das richtige Angebot" erwischen muss. Sie lehnen sich bildlich gesprochen etwas zurück, lassen sich informieren und warten auf ein interessantes Angebot, wobei diese Information heute anders passiert als früher. Früher gab es den klassischen Anruf durch den Personalberater, heute ist es wichtig, dass sich die Führungskräfte aktiv in Communities eintragen, um dann passende Jobangebote zugemailt zu bekommen. Wenn eine Führungskraft unfreiwillig ausgeschieden ist, hat das natürlich Einfluss darauf, wie gelassen sie die Situation sieht und einschätzt, zumal damit immer auch ein Stück Kränkung einhergeht. Ein anderer wichtiger Aspekt, der mehr oder weniger Druck erzeugt, ist das Finanzielle: Wie einfach oder schwierig ist es für die Person, ein halbes bis dreiviertel Jahr wenig bis nichts zu verdienen? Je weniger das ein Problem ist, desto gelassener kann man natürlich sein.

Wenn man als Führungskraft mit der Suche beginnt, kommt man relativ schnell drauf, dass das seine Zeit dauert. Ab einer gewissen Komplexität im Job sind sechs bis neun Monate Suche durchaus realistisch. Und in dieser Zeit ist die Person nicht immer gleich aktiv. Zuerst will man oft einmal Abstand gewinnen, gerade wenn man es sich psychisch und finanziell leisten kann. Die Faszination dieser Auszeit, die man ja sonst nicht hat, ist manchmal schon ein Thema, gerade bei Älteren.

Wie hat sich der Job-Markt im vergangenen Jahr entwickelt?

Das war natürlich eine unübliche Situation, das muss man schon sagen. Es war im Jahr 2002 schon einmal einige Monate so, dass die Arbeitsmärkte relativ radikal reagiert haben. Also ja, es werden relativ wenige Jobs angeboten, aber ich würde sagen, dass der Markt jetzt bereits wieder wesentlich aktiver ist als noch im Februar, März. Im Februar war der Markt wirklich tot. Klar zu sehen ist, dass diese Krise den Stellenanzeigen in den Zeitungen massiv zugesetzt und den Trend verstärkt hat, dass sich das Geschäft zunehmend ins Netz verlagert. Ich glaube, dass es hier tatsächlich zu einer nachhaltigen Verschiebung kommt. Man kann inzwischen auch sehr professionell ohne Zeitungsanzeigen suchen. Dazu kommt, dass ja nur ein Teil der Jobs über Personalberater abgewickelt wird. Ich kenne den genauen Anteil der Personalberater am Stellenmarkt nicht, aber ich glaube, dass er nicht besonders hoch ist. Es gibt heute Plattformen, Direktsuchen von Firmen und Personalberater.

Worauf kommt es an, wenn ich als Führungskraft mit einem Personalberater in Kontakt komme?

Die meisten Lebensläufe haben bereits einen bestimmten Standard, man kann sich darüber online und in Büchern informieren. Über das Formale hinaus macht es für uns einen großen Unterschied, ob wir den Eindruck haben, dass sich jemand nicht nur mit der Vergangenheit beschäftigt hat, sondern auch mit seiner Zukunft, d.h. ein relativ klares Bild hat, was er oder sie anstrebt. Das kann durchaus in Varianten sein, aber es sollte erkennbar und einordbar sein. Das "rote Tuch" für uns ist der "Generalist", denn wir haben keinen Auftrag für Generalisten, wir haben relativ spezifische Stellenprofile als Mandate, und daher können wir auch nur Leute suchen, die eine relativ genaue Vorstellung haben, was sie anstreben. Das beginnt beim Gehalt, über die Reisefähigkeit, Fachinhalte, Level usw. Einen Vorteil haben also Personen, die irgendwie erkennbar sind.

Wie hoch ist dieser Anteil?

Das kann ich so nicht sagen, aber es ist jedenfalls nicht die Mehrheit. Was sich stark geändert hat, ist, dass wir früher Initiativbewerbungen hatten, wo die Leute die Erwartung hatten: "Sprechen wir doch einmal miteinander." Da sagen wir heute klar: "Das macht keinen Sinn, denn wir stehlen Ihre Zeit und Sie unsere. Wir sagen Ihnen gerne, wie es funktioniert. Und funktionieren tut es so, dass wir in einer Art virtuellem Datenraum senden können und wenn Sie sich dort realistisch eintragen, dann bekommen Sie die Infos, die Sie brauchen. Dann gibt es eine Bewerbung, ein Telefonat und dann reden wir darüber." Dieses Procedere durchbrechen wir nur noch sehr selten, erklären das aber sehr offensiv. Sogenannte "Vorratsgespräche" machen wir nur noch in Feldern, wo wir das Angebot an guten Leuten sehr knapp einschätzen, wenn es also um sehr spezielle Jobs geht, wo es schwierig ist, überhaupt gute Leute zu finden.

Wie kommt man als Führungskraft zu einer klaren Vorstellung, was man will und sucht? Ist es nicht legitim zu sagen: "Wenn etwas Interessantes daher kommt, könnte ich mir auch etwas ganz anderes vorstellen?"

Ja, es ist legitim, aber nicht immer realistisch. Für den, der sucht, muss entscheidbar sein, ob das jetzt die richtige Person ist. Nur zu sagen, „Personal interessiert mich“ ist nichtssagend und hilft mir nicht. Aber wenn jemand sagt: "Ich war auf der Uni, das internationale Steuerrecht finde ich interessant, da möchte ich mich vertiefen. Mich fordert diese Mischung aus Sprachen, Rechtssystem und Steuervorschriften, und ich möchte in einem internationalen Umfeld arbeiten“, dann ist die Person für mich erkennbar. Ebenso wenn jemand sagt: Ich habe mich im HR-Bereich mit Benefits & Compensation beschäftigt, das interessiert mich aus den und den Gründen sehr und ich habe in Recruiting-Projekten mitgearbeitet und war an der Einführung des PE-Instruments XY beteiligt“.

Wenn ich schon auf einer gewissen Ebene angesiedelt bin und es nur wenige andere vergleichbare Jobs gibt, wie gehe ich dann am Geschicktesten vor?

Wenn ich angestellter Manager sein möchte, dann sind heute Stehzeiten programmiert. Das muss ich auch im Lebenseinkommen einkalkulieren. Gerade Top-Leute haben heute immer wieder auch Zeiten, wo sie "ruhen". Wichtig ist, für sich eine Art Inventur zu machen, dann sieht man: Man kennt bereits eine oder mehrere Branchen, beherrscht den Umgang mit konzernalen Strukturen und hat mit bestimmten betrieblichen Problemstellungen schon sehr spezifische Erfahrungen gesammelt. Da gibt es vielleicht nicht hunderte vergleichbare Jobs, aber das ist durchaus für mehrere andere Firmen interessant. Ich glaube, dass der Markt elaborierter ist als viele denken.

Man blickt also auf seine Erfahrungen und dann scannt man in Frage kommende Firmen und schaut, wer übrig bleibt? Und man fragt sich: Was wären die Anforderungen an eine Position, die mich interessieren würde?

Ja. In der Praxis ist Jobsuche heute eine Multi-Channel-Suche: die eigenen Netzwerke, Social Networks (ich sage, dass ich verfügbar bin oder das und das suche), die klassische Suche über  Suchinserate, vielleicht Initiativbewerbungen. Je mehr Kanäle und Wege ich gehe, desto höher wird auch die Wahrscheinlichkeit, dass ich auf interessante Konstellationen treffe. Bei uns muss heute jeder Berater beispielsweise seine Xing-Netzwerke mit den Mandaten kombinieren. Das ist bei uns inzwischen ein "must". Das nützen wir massiv.

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Mag. Christian Havranek, Geschäftsführer von Deloitte Human Capital