Die erste Jobsuche nach 20 Jahren

Eine erfahrene Finanzchefin über ihre erste aktive, mitunter aufreibende Jobsuche seit zwei Jahrzehnten.

Was waren Ihre bisherigen Karrierestationen, bevor Sie sich im Jahr 2008 auf die Suche nach einem neuen Job machen mussten?

Bei der allerersten Firma nach dem Studium war ich nur kurz, etwa eineinhalb Jahre, da ich einen Standortwechsel geplant hatte.. Dann war ich über 5 Jahre in einem Konzern tätig, anschließend über 10 Jahre in einem anderen Konzernunternehmen als Finanzchefin beschäftigt. In meiner bisherigen Berufslaufbahn hatte ich also nur drei Arbeitgeber.

Wie kam es zum Wechsel nach dem ersten längeren Job?

Ich wurde von einem Headhunter kontaktiert, der mir die Möglichkeit geboten hat, beruflich den nächsten Schritt zu machen, vom Controlling in die Finanzleitung. Es ging um die Österreich-Tochter eines internationalen Konzerns, eine Branche, die der bisherigen verwandt war und der Moment hat für mich gepasst. So gesehen war der Ausstieg im Jahr 2008 zum ersten Mal nicht von mir ausgehend. Ich hätte ins Ausland gehen müssen, das wollte ich nicht, also haben wir entschieden, uns einvernehmlich zu trennen. Eine Woche nach dieser Entscheidung war der Zusammenbruch von Lehman Brothers, wodurch ich genau zum ungünstigsten Zeitpunkt ausgestiegen bin. Ab Oktober 2008 kam es zu einem radikalen Rückgang der angebotenen Positionen für Senior Manager. Zwischen Dezember 2008 und Februar 2009 gab es so gut wie überhaupt keine offenen Stellen.

Was waren Ihre konkreten ersten Schritte nach dem Ausscheiden?

Ich habe sofort die Wochenendzeitungen durchgeschaut, gleich auf Inserate geantwortet und hatte dann auch schnell einige Termine mit einem Personalberater und einer Firma, woraus aber letztlich nichts wurde. Parallel habe ich begonnen, mich vorzubereiten. Ich habe ja aktiv nur zweimal in meinem Leben Job gesucht und die letzte aktive Suche war 20 Jahre her. Also habe ich überlegt: Was habe ich bisher getan, was bringe ich mit, was will ich, wo stehe ich? Das hat im Endeffekt mehrere Monate gedauert, weil ich immer wieder daran gearbeitet habe. Das erste sichtbare Ergebnis war die Aktualisierung des Lebenslaufs. Gleichzeitig habe ich geübt, mich gut zu verkaufen: es war sozusagen ein neues "Projekt". Diesmal war "ich" allerdings die Hauptagenda.

Wo haben Sie die Informationen herbekommen, wie z.B. ein Lebenslauf richtig ausschauen sollte?

Es gibt Internet, die Presse, Bücher. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass der erste Lebenslauf, den ich erstellt habe und der noch etwas spontan und intuitiv war, derjenige war, der mir am meisten Antworten gebracht hat. Ich habe dann über die Monate Details geändert, "professioneller" gemacht, so wie es "state of the art" ist, aber mehr Antworten als mein erster Lebenslauf hat das auch nicht gebracht. Natürlich muss der Lebenslauf eine ordentliche Form haben, aber ich denke, es ist auch wichtig, dass der Faktor der Authentizität erhalten bleibt. So ungeschickt ist man als Führungskraft auch wieder nicht.

Sie haben also sofort mit der Jobsuche begonnen?

Ja und nein.  Ich habe auch die Zeit genutzt, um bei jedem Schulurlaub der Kinder etwas zu unternehmen, mich mit Freunden zu treffen. Natürlich habe ich aktiv gesucht , vor allem aber habe ich mir ein Netzwerk aufgebaut. Ich habe zum Beispiel meine bisherigen Kooperationspartner kontaktiert, wodurch sich einige Kontakte zu Personalberatern aus guten Häusern ergeben haben. Auch wenn dabei kein Job rauskam, hatte ich dadurch doch erste Interviews. Rückblickend halte ich es für einen wichtigen Punkt, rasch zu Interviews zu kommen, auch wenn man z.B. mit seinen Unterlagen oder seiner Selbstklärung noch nicht fertig ist, denn dadurch bekommt man Übung. Man kommt einfach am besten weiter, wenn man sich Ratschläge bei Profis holt. Interviews sollte man nicht ausschließlich danach beurteilen, ob man dadurch gleich einen Job bekommt, sondern als eine Gelegenheit, ein Feedback zu bekommen. Ich habe bei den ersten Interviews relativ schnell gesehen, dass es Sinn macht, um Feedback zu bitten. Aus den Rückmeldungen und Ratschlägen muss man für sich das Passende herausfiltern. Das dauert, es geht nicht von heute auf morgen.

Wie geht es einem, der bisher an wichtiger Stelle saß, damit plötzlich der Suchende zu sein?

Schlecht. Klar ist: Man kann als Führungskraft nicht erwarten - außer es ist ein Glücksfall - dass man sofort einen neuen Job findet. Trotzdem ist es emotional extrem schwierig. Ich glaube, das Schwierigste bei Führungskräften auf hohen Positionen ist, dass sie ja bisher eine Sonderstellung im Unternehmen hatten. Sie stehen ein bisschen auf einem Sockel, bringen eine Leistung, die für das Unternehmen wichtig ist und plötzlich bekommen sie das Gefühl, sie bringen nichts mehr, man wartet nicht auf sie und sie müssen sich aktiv am Markt anbieten, was sie vielleicht schon lange nicht mehr oder sogar noch nie mussten, weil sie bisher immer promoted wurden. Das ist psychologisch extrem hart, da lernt man auch sehr viel über sich. Die Reife, die ich über die Monate gewonnen habe, nützt mir jetzt im nächsten Job.

Es gab die einvernehmliche Trennung, dann die ersten Bewerbungen …

Ja. Das hat gleich gestartet, als ich die ersten Kontakte aufgenommen habe. Damit verbunden waren aber eben auch viele Absagen. Da muss man durch, das ist deprimierend, gerade als Führungskraft. Ich glaube, in einem Interview gibt es drei wichtige Aspekte: Ich muss rasch zeigen können, was kann ich, dann muss ich vermitteln, was ich will - das ist für den Berater fast wichtiger, denn was ich kann, ersieht er aus dem Lebenslauf und wenigen Fragen - und dann ist der entscheidende Punkt für den Personalberater und das Unternehmen: Bin ich in das besagte Unternehmen gut integrierbar? Passe ich dazu? Das ist das Schwierigste, denn da habe ich selbst am wenigsten Einfluss, denn das beurteilen vor allem die anderen.

Wie klar war Ihnen, was Sie wollen?

Es gibt einerseits Verwandte, Freunde, eventuell Ex-Kollegen und es gibt andererseits Profis, die man nützen kann und sollte, z.B. Outplacementberater. Man bekommt viele Inputs, manche nimmt man an, andere nicht, aber im Endeffekt muss man sich selber den ersehnten neuen Job suchen. Bei jedem neuen Gesprächstermin geht es bergauf, mit jeder Absage geht es bergab. Das übliche ist: Wenn ein Mail kommt, ist es meist eine Absage, denn wenn es weitergeht, kommt in aller Regel ein Anruf, um einen Termin zu vereinbaren. Wenn es sich zieht, ist es auch kein gutes Zeichen, aber es gibt auch gegenteilige Beispiele. Grundsätzlich habe ich bei Personalberatern immer Feedback bekommen, Mails oder Anrufe. Bei Bewerbungen direkt an die Unternehmen gibt es die ganze Bandbreite. Bei Spontanbewerbungen kommt oft überhaupt keine Antwort oder sie kommt ein halbes Jahr später. Ich habe aber eher gute Erfahrungen gemacht. Ich war sehr aktiv, und habe immer die Initiative ergriffen: bei Blindbewerbungen habe ich mich immer nach kurzer Zeit telefonisch gemeldet.

Und wenn Sie direkt an Unternehmen einen Brief und einen Lebenslauf geschickt haben, an wen haben Sie das adressiert?

An den Geschäftsführer. Es gibt Unternehmen, in denen der Geschäftsführer das an die Personalabteilung weitergibt und es gibt Unternehmen, bei denen sich der Geschäftsführer selbst meldet. Und wenn nichts passiert, muss man nachtelefonieren. Dann passiert meistens etwas. Ich halte es aus zwei Gründen für wichtig, den Geschäftsführer anzuschreiben : Erstens gibt es mitunter Überlegungen an der Spitze, von denen die Personalabteilung noch nichts weiß und selbst wenn: Wenn es vom Chef weitergeleitet wird, ist das immer besser.

Ende 2008, Anfang 2009 gab es dann aber diese tote Phase, wo der Inseratenmarkt quasi zum Erliegen gekommen ist.

Ja. Zudem hat sich gezeigt, dass es eigentlich nichts mehr gebracht hat, an internationale Konzerne zu schreiben, weil die fast alle für 2009 Aufnahmestopps haben. Selbst wenn sie jemanden verlieren, können sie kaum nachbesetzen. Das ist mir sehr oft passiert. Einige Gesprächspartner in den Unternehmen haben gemeint, ich solle mich selbstständig machen, um mit ihnen auf Freelancer-Basis zu kooperieren. Ich habe aber zugewartet, und dies nicht getan: Ich wollte wieder eine Management Position in einem Konzern finden.

Wie haben Sie sich da immer wieder motiviert?

Mit Hilfe meiner besten Freundin, meiner Mutter und ein, zwei Ex-Kollegen/Innen. Mit einer Freundin habe ich fast täglich telefoniert und sie hat mich immer gefragt: "Wie geht es dir und was hast du heute vor?" Es gab aber auch mal Zusammenbrüche, wo die Familie miterlebt hat, dass es mir gerade verdammt schlecht geht. Da ist es dann wichtig, sich auch auffangen zu lassen und nicht allein zu bleiben. Fürchterlich fand ich in dieser Situation den Winter, wenn alles Grau in Grau ist.

Wie war für Sie der Gang zum Arbeitsamt?

Das erste Mal war einfach furchtbar, ich habe weder rechts noch links geschaut. Ich habe alles getan, um das zu vermeiden. Im Endeffekt war ich in der Statistik des AMS drei Monate "arbeitslos". So gesehen war es eine kurze Zeit der Arbeitslosigkeit, aber psychologisch gesehen, hat es unendlich lang gedauert und war extrem belastend.

Wie kamen Sie zum jetzigen Job?

Über eine Anzeige in der Zeitung - die Ausnahme bestätigt doch oft die Regel - und dank viel, sehr viel Arbeit: Im Durchschnitt habe ich an die 8  neuen Kontakte wöchentlich geknüpft (Personalberater, Unternehmen, Netzwerkkreisen), und bei ca. jedem Dritten habe ich einen persönlichen Termin bekommen.

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