Unangenehme Dinge gehören mit dazu

Mag. Christian Gosch über den Mitarbeiterabbau in der Sparkassen-Datendienst GmbH aus der Perspektive der Geschäftsleitung.

Herr Mag. Gosch, wie hat sich Situation in den Jahren 2002/2003 aus Sicht der Geschäftsführung dargestellt?

Wir sind der IT Serviceanbieter für die Erste Bank Gruppe und die österreichischen Sparkassen. Unsere Kunden sind auch unsere Eigentümer und eine Ausweitung des Geschäftes außerhalb dieser definierten Kundengruppe steht derzeit nicht zur Diskussion. 2002 war bereits absehbar, dass Großprojekte auslaufen, vor allem das Projekt Systemintegration Erste Bank. Die Situation war nicht unerwartet, allerdings war ein neues Großprojekt in der Pipeline, das dann nicht entschieden wurde. Das versetzte uns kurzfristig in die Situation, erstmals in unserer Geschichte einen für die Spardat signifikanten Personalabbau durchführen zu müssen. Um die Budgetziele für 2003 zu erreichen, mussten wir uns von ungefähr von rund 80 angestellten Mitarbeitern trennen.

Die erste Welle im Herbst 2002 war noch relativ klein, die größere kam dann 2003. Wir haben dann noch vor dem Sommer die Mitarbeiter informiert, was passieren wird und wie es ablaufen wird. Diese Abbauwelle hat viel in der Kultur des Unternehmens angestellt, es ist vom Klima her merklich kühler geworden. Die Spardat kannte bis dahin eigentlich keinen Personalabbau in diesem Ausmaß. Wir kamen 2002 gerade aus der Phase des totalen Hypes im EDV-Business, hatten noch kurz davor große Staffingprobleme und dann ging es plötzlich in die Gegenrichtung.
Beim Start der Abbaumaßnahmen 2002 war ich noch als Bereichsleiter tätig, 2003 dann in der Geschäftsführung. 2002 haben wir uns in meinem Bereich schwerpunktmäßig von externen Mitarbeitern getrennt. Wobei ich klar sagen muss: Es ist für eine Führungskraft eine andere Situation, ob ich einen externen Mitarbeiter habe, bei dem ich beschließe, den Vertrag nicht zu verlängern oder ob ich mich von einem angestellten Mitarbeiter trennen muss.

Wie viele interne Mitarbeiter haben Sie 2002 in Ihrem Bereich abgebaut?

3 interne Mitarbeiter, aber über 20 externe Mitarbeiter, die teilweise über mehrere Jahre bei uns im Unternehmen waren.

Wenn Sie als Führungskraft plötzlich vor der Situation stehen kündigen zu müssen, was kann da schief gehen?

Es kann viel schief gehen. Wenn man einen Gewinneinbruch hat oder Liquidität gefordert ist, muss man nicht viel diskutieren. Die Krise ist klar sichtbar und es ist einleuchtend, dass Maßnahmen getroffen werden müssen. Schwieriger sind die Diskussionen, wenn es um strategische Krisen im Unternehmen geht. Wenn man z.B. feststellt, meine Kostenposition passt nicht im Verhältnis zu meinen Wettbewerbern. Man sieht, die Firma schreibt noch Gewinne und trotzdem wird abgebaut.

Das war auch bei uns die Schwierigkeit, wir mussten die Kündigungen vornehmen in einer Zeit, in der unsere Kunden und Eigentümer gerade sehr gute Ergebnisse präsentiert haben, aber nach sehr investitionsintensiven Jahren das Niveau der IT-Ausgaben wieder zurückfahren wollten.

Unser „Markt“ hat sich insofern geändert, als wir heute nicht mehr automatisch ein Projekt bekommen, sondern es gibt Ausschreibungen und wenn wir ein günstiges Angebot abgeben, bekommen wir es. Wir machen unser Geschäft genau dann gut, wenn wir es schaffen, EDV-Leistungen im definierten Ausmaß in der geforderten Qualität plus entsprechende Services zu den geringst möglichen Kosten anzubieten und wir sind dann erfolgreich, wenn wir es schaffen, mittels unserer Lösungen geringst mögliche Kosten für unsere Auftraggeber zu erzielen.

Wer ist Mitbewerb?

Es gibt vielfältige Mitbewerber, das ist von Geschäftsfeld zu Geschäftsfeld unterschiedlich. Wir sind einerseits zunehmend im Wettbewerb mit anderen Anbietern, haben andererseits aber das Verbot, am dritten Markt aktiv zu sein. Denn die Eigentümer wollen das Know-how natürlich nicht unbedingt der Konkurrenz zur Verfügung stellen. Das würde den geschäftlichen Vorteil wieder zunichte machen.

Natürlich sagen die Mitarbeiter, wir haben so ein tolles Know-How, warum verkaufen wir das nicht auch an andere, es gäbe genug Kunden und Projekte, warum kündigt ihr stattdessen Leute? Das ist natürlich für die Geschäftsführung unangenehm, aber das gehört dazu. Das sind Entscheidungen des Aufsichtsrats, darüber kann ich mich nicht hinwegsetzen. „Wir wollen, dass ihr das, was wir brauchen, so gut und günstig wie möglich managt und bereit stellt. Damit hilft uns die IT bei unserer Wettbewerbsposition, aber damit will ich kein Geld verdienen und schon gar nicht meine Konkurrenz stärken“. Das sind die Rahmenbedingungen.

Wann genau war der Start des Personalabbaus?

Die erste Verlautbarung des geplanten Abbaus erfolgte im Juni/Juli, aber die genaue Zahl wussten wir erst im Herbst. Das ist das typisches Problem von Change-Projekten: Man muss frühzeitig kommunizieren, kann aber nur grobe Rahmendaten kommunizieren, denn Entscheidungen fallen dann erst im Laufe des Prozesses.

Wie geht man damit als Manager um?

Wir haben im Management intern darüber nachgedacht, wann gehen wir mit den Informationen nach außen. Schon in der Startphase des Budgetierungsprozesses war klar, das geht sich nicht aus, da müssen wir auch Mitarbeiter abbauen. Wir haben uns damals entschlossen, damit frühzeitig an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir wussten, dass wir damit Unruhe generieren, aber ich bin mir sicher, dass wir bedeutend mehr Unruhe geschaffen hätten, wenn die Leute das nicht von der eigenen Geschäftsführung, sondern über andere Kanäle erfahren hätten.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die Menschen auch mit schwierigen Situationen umgehen können. Vor allem finde ich, die Geschäftsführung sollte auch kommentieren, was da aus ihrer Sicht gerade abläuft. Gerade in dieser Phase ist es wichtig, die Themen offen anzusprechen.

In der ersten Phase 2002 waren Sie noch als Bereichsleiter involviert?

Es gab eine Informationsveranstaltung der Geschäftsführung. Ich habe mich dann mit den Führungskräften meines Bereichs zusammengesetzt und versucht, das was die Geschäftsführung gesagt hat, auf meinen Bereich zu übersetzen. Was bedeutet das für uns? Wie werden wir das angehen? Damals waren ca. 95 Leute in meinem Bereich.

Beim ersten Mal gab es noch keinen genauen Zeitplan, oder?

Nein, den gab es noch nicht. Ich habe mich dann mit meinen Abteilungsleitern zusammengesetzt und erarbeitet, wie wir vorgehen werden. Was wissen wir schon über die Projekte des nächsten Jahres, wie müssen wir die Abteilungen besetzen, welche Veränderungen sind daher notwendig? Welchen Zeitplan haben wir, welche Teilergebnisse brauchen wir bis wann? Was am Beginn gefehlt hat, war die Unterstützung bei den Austrittsgesprächen. Daher gab es einige Probleme, die aufgetreten sind. Das waren zwar nur wenige, aber die scheinen dann extrem auf. Z.B. hat sich ein Abteilungsleiter beim Trennungsgespräch vertreten lassen, das kam natürlich nicht sehr gut an.

Wir realisieren zwei große Releases im Jahr, eine im Frühling, eine im Herbst, das heißt, wir wussten ziemlich genau, welche Leute brauchen wir noch im Herbst und welche im nächsten Frühling bei der Testphase. So hatten wir dann einen genauen Plan, wer ist wie lange dabei. Und das haben wir dann auch schon frühzeitig kommuniziert, wobei es gerade zu Beginn viele Leiharbeiter getroffen hat.

Wie haben Abteilungsleiter darauf reagiert, Köpfe zu benennen?

Wir haben einige Male über den Modus diskutiert. Aus meiner Sicht war sehr gut, dass wir uns einen klaren Fahrplan verordnet hatten und aufgrund der Projektpläne relativ genau gesehen haben, welche Personalzahlen pro Abteilung wir uns leisten können. Das war eine klare und unverrückbare Vorgabe und klare Vorgaben sind in dieser Phase sehr wichtig. Wie der Abteilungsleiter das erreicht, wie er seine Kapazität plant, war dann seine Entscheidung.

Welche Kriterien wurden angelegt, wie wurde die Auswahl begründet?

Wir haben lange diskutiert, welche Kriterien wir anlegen. Wir haben die Prioritäten aus Sicht des Unternehmens festgelegt und uns gefragt, wie gut kann ich zukünftig mit diesen Mitarbeitern meine Performance erbringen? Das war das erste Kriterium. Danach wurden Kriterien wie bisherige Leistung und soziale Faktoren gereiht. Damit hatten die Führungskräfte kein Problem. Aber klar ist, dass die Entscheidung nie einfach ist, das kann ihnen auch keiner abnehmen und das müssen sie auch argumentieren.

Ich messe meine Führungskräfte nach den Resultaten, nicht nach der Teamzusammensetzung. Das überlasse ich ihnen, da mische ich mich nicht ein, auch wenn es ab und zu schwer fällt. Ich respektiere ihre Entscheidungen.

Wenn nun ein Mitarbeiter gekündigt wird, kommt der dann nicht zu Ihnen, um das vielleicht noch abzuwenden?

Das kam vor. Allerdings - zuerst führten die Führungskräfte das Trennungsgespräch, dann wollte vielleicht der eine oder andere mit mir reden, man macht einen Termin und bis man zusammensitzt, sind schon ein paar Tage vergangen. D.h. der Mitarbeiter kommt schon in einem veränderten Zustand. Meistens gefasst. Es war dann entweder ein moderater Versuch, die Entscheidung rückgängig zu machen oder der Mitarbeiter war emotional aufgeregt, nach dem Motto: "Die Führungskraft ist komplett daneben, eine totale Fehlentscheidung, die ist unfähig, ..." Man kann da nur zuhören. Das Schwierige ist, wenn man in eine Position eines Richters gedrängt wird. "Sie finden doch auch, dass die Entscheidung völlig haltlos und unbegründet war, oder?" "Meinen Sie nicht auch, dass das ein kompletter Blödsinn war?"

Darum ist es wichtig, vorher die Entscheidungsparameter der Führungskraft gut zu kennen. Aus meiner Sicht das wichtigste ist die Abstimmung der Listen über die Linie. Ich wusste also davon, und wenn ich mit einer Entscheidung ein Problem gehabt hätte, hätte ich das frühzeitig beeinspruchen müssen. Wenn ich aber zustimme, dann muss ich das auch mit verantworten. Ich kann dann nicht eine Entscheidung umdrehen. Klar muss sein: Ich stehe zu der Entscheidung der Führungskraft und zur Führungskraft.

Kannten die Führungskräfte den Unterschied zwischen einvernehmlicher Trennung, Kündigung, Entlassung?

Bei der ersten Runde nicht, da sind wir auch trotz besten Bemühens in einige Schwierigkeiten hineingekommen. Es sind Fehlinformationen gegeben wurden. Mancher war schlecht informiert über die Modalitäten der Trennung, oder hat irgendwelche Auskünfte gegeben über das Arbeitsmarktservice, die nicht gestimmt haben und nicht von der Stelle hätten kommen sollen. Oder es wurde der Betriebsrat informiert, bevor die Personalabteilung Bescheid wusste.

Was ist die Gefahr, wenn Kündigung an Personaler delegiert wird?

Wenn die Führungskraft das nicht selber macht und nicht selber Stellung nimmt, dann bringt sie sich speziell gegenüber den Verbleibenden in eine unkluge und ohnmächtige Position. Bei uns sind die Abteilungsleiter personalverantwortlich, sie wählen die Mitarbeiter aus, machen die Mitarbeitergespräche, kümmern sich um die Entwicklung. Sie entscheiden daher auch, wann man sich von einem Mitarbeiter trennt. Nach unserem Führungsverständnis gehört das zusammen. Das ist nicht delegierbar. Was wir versucht haben, war, den legistischen Teil davon zu trennen. Da gab es ein vom Personalbereich erstelltes Package und ein eigenes Gespräch mit dem Personalchef.

Was sind aus Sicht der Geschäftsleitung die entscheidenden Fragen oder Punkte?

1: Informationen gegenüber den Betroffenen, den Führungskräften, dem Betriebsrat, den Verbleibenden. 2: Welche Möglichkeiten kann ich schaffen, um den Prozess so gut wie möglich zu gestalten? Wieder im Hinblick auf die unterschiedlichen Interessensgruppen: Was biete ich den Führungskräften an, damit die mit den Trennungsgesprächen besser umgehen können? Wie kann ich dem Personalbereich die Arbeit erleichtern? Vor allem: Wie kann ich den Prozess für die Betroffenen so erträglich wie möglich gestalten?

Dieser Abbau bedeutete ein Stück weit auch die Verabschiedung der bisherigen Familienkultur. Es kam zu einer Professionalisierung mit gleichzeitiger Verminderung der Identifikation im Sinn von - ich bin die Firma. Diese enge Bindung gibt es nun nicht mehr. Der Abbau hat einige Leute schwer getroffen, es gab Kommentare wie „Die gute alte Spardat wurde zerstört“, „Da sind Unmenschen am Werk“ oder: meine „Familie“ ist zerbrochen. Und es gab Fragen wie: Was heißt das jetzt? Man trennt sich von einem Mitarbeiter, aber der sitzt noch da, man sieht ihn jeden Tag, wie soll ich mit dem umgehen? Es entsteht eine eigene Dynamik, für alle unangenehm.

Letztlich ist da die Führungskraft als Person  sehr gefordert. Da hilft es auch, sich selbst zu erinnern: Wie viele Trennungssituationen habe ich selbst in meinem Leben schon erlebt? Wie habe ich die empfunden, als traurig oder als traumatisch? Wie gehe ich mit Nein-Sagen um, und mit beständigem Nein sagen.

Was macht man mit den Leuten, die da bleiben?

Wir haben letztes Jahr zwei Informationsveranstaltungen gemacht, die erste, um zu informieren, dass das jetzt passieren wird, die zweite, um zu sagen, dass die Abbauwelle jetzt abgeschlossen ist, um Sicherheit zu geben. Wir haben aber auch klar gesagt, wir können nicht abschätzen, ob das in den nächsten Jahren nicht noch einmal passiert.

09.2004

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Mag. Christian Gosch, Geschäftsführer der Spardat