"Sachliche" Gründe sind meist Ausflüchte

DI. Alfred Müllner, Bereichsleiter der Spardat über die eigenen Erfahrungen während des Abbauprozesses und die daraus gezogenen Lehren.

Herr DI. Müllner, wie haben Sie den Beginn des Personalabbaus erlebt?

Der Abbau sollte sich nach Meinung der Geschäftsleitung zwischen Externen und Spardat-Mitarbeitern verteilen. Die Externen waren zu ¾ Leasingpersonal, ¼ selbständige Mitarbeiter. Die erste Welle begann 2002, da war man noch nicht wirklich darauf vorbereitet: Wie machen wir das, war etwas handgestrickt. Wie sucht man die Leute aus, wie führt man die Gespräche? Es gab keinen geordneten Zugang, jeder machte es so, wie er es für richtig befand.

Das erste Mal war insofern leichter, als wir natürlich zuerst geschaut haben, dass wir so viel wie möglich Leasingkräfte abbauen. In der zweiten Welle 2003/2004 hat es bei mir einen ganzen Standort betroffen, was besonders schmerzlich war. Es ging um eine in Salzburg angesiedelte Abteilung mit 12 Mitarbeitern, die wir auflösen mussten, weil es nur Arbeit für vier Leute gab. Da hat sich der Standort nicht mehr gerechnet.

Wir haben das damals so gelöst, dass wir jedem einen Job in Wien angeboten haben. Dafür hätten 3 Tage Anwesenheit in Wien gereicht, den Rest hätten sie in Telearbeit erledigen können, wobei wir gehaltsmäßig für den Mehraufwand noch etwas draufgelegt haben. Von den 12 Mitarbeitern haben sich fünf dafür ausgesprochen, von den anderen sieben haben wir uns einvernehmlich getrennt. Von fünf Mitarbeitern mit Jahresende 2003, die letzten zwei sind jetzt vor kurzem gegangen. Mit Sozialplan, aber trotzdem war es für die Leute nicht einfach.

Warum lief es am Beginn noch nicht optimal?

Zu Beginn hat man gesagt, es werden insgesamt rund 150 Mitarbeiter sein. Dadurch ist unterschwellig die Erwartungshaltung entstanden, dass das von jedem Bereich ca. 15 Prozent der Mannschaft sind. Tatsächlich haben dann Einzelne diese gar nicht ausgegebene 15 Prozent Regel befolgt. Am Beginn war die Vorgangsweise also nicht wirklich abgesprochen. Ich habe das dann soweit wie möglich hinausgezogen, weil für mich klar war, dass ich das erst im September nach der Fixierung der Projekte wissen kann und ich die Leute nicht unnötig verunsichern wollte. Außerdem ist es höchst unangenehm, einem Mitarbeiter sagen zu müssen, du musst gehen und dann erfährt er, in einem anderen Bereich gäbe es einen Job. Das ist 2002 tatsächlich passiert, zwar nur ganz wenigen Leute, aber es hat genügt, um alle zu verunsichern. Im zweiten Jahr ging das viel besser, da wurde das vorher koordiniert.

2003 war alles schon viel genauer geplant: Anfang September sagen wir es den betroffenen Mitarbeitern, zuvor gibt es noch eine Woche freiwillige Meldungen, das endet am Freitag, und am Montag drauf gibt es die Gespräche mit den betroffenen Mitarbeitern. In meinem Bereich habe ich es allerdings nicht so gemacht. Der Gedanke, es sitzen alle da, denken sich, heute ist er der Tag, und warten, wen es trifft, das habe ich nicht als richtig empfunden. Ich habe mich mit meinen Abteilungsleitern schon im Juli zusammensetzt, um ein erstes Gefühl zu vermitteln, wie es ausschaut. In diesem und jenem Gebiet sind es vielleicht ein oder zwei Mitarbeiter, die betroffen sind, in dem Gebiet wahrscheinlich keiner. Damit wusste ein Teil, wir sind nicht betroffen und die anderen konnten sich innerlich darauf vorbereiten.

Wie war es für die Führungskräfte, diese Gespräche zu führen?

Es haben alle Abteilungsleiter gesagt, dass es für sie höchst unangenehm und belastend war, für die meisten war es das erste Mal.

Was macht man dann als Vorgesetzter dieser Führungskräfte?

Wir haben alle diesen Workshop gemacht, um ein Gefühl zu bekommen, wie werden die Leute reagieren, womit muss man rechnen, wie soll man reagieren? Meine Empfehlung an die Abteilungsleiter war, ehrlich die wirklichen Gründe anzuführen. Sachliche Gründe sind meistens Ausflüchte, man neigt dazu, fast schon Formeln dafür verantwortlich zu machen, dass es den getroffen hat.

Natürlich überlegt man, wer ist am wichtigsten, wen brauche ich am wenigsten, aber es gibt meistens Alternativen. Wenn man sich für eine bestimmte Person entschieden hat, dann nie nur aus Sachzwang. Meine Empfehlung war daher, die Mitarbeiter ehrlich über die Beweggründe aufzuklären, denn die sind ja nicht dumm. Wenn man versucht, den Grund sachlich abzuleiten, dann finden die Mitarbeiter auch selbst die Alternativen. "Aber da wäre auch das und das möglich gewesen." Dann gerät man schnell in Argumentationsnotstand, warum man nicht die Alternative genommen hat. Wenn man von Haus aus sagt, wie es ist, tut man sich im Endeffekt leichter, auch wenn es im Moment schwer fällt.

Aber wie sagt man das konkret? Sie gehen mir schon die längste Zeit auf den Nerv?

Im Endeffekt lauft es vielleicht darauf hinaus. Es gab beispielsweise einen Mitarbeiter, selbständig, also ein Externer, durchaus wertvoll für das Team, leistungsmäßig durchaus in Ordnung, der aber einen präpotenten Zug hatte und immer geglaubt hat, ohne ihn geht es nicht. Er hat ständig die anderen eingeteilt, stets sich selbst im Vordergrund gesehen und andere nicht neben sich aufkommen lassen. Solange es keinen Zwang gab, über Abbau nachzudenken, und er gute Ergebnisse geliefert hat, hat man damit sozusagen gelebt. Dann kam der Abbau, ich habe mit dem Abteilungsleiter die einzelnen Mitarbeiter durch besprochen, und als die Frage kam, wen soll es treffen, sind wir gemeinsam zu dem selben Ergebnis gekommen. Das hat er dann auch so gesagt: Das war mein Entschluss, aus den Gründen.

Wann haben Sie Ihr aller erstes Kündigungsgespräch geführt?

Das war erst in der Spardat. Ich komme von der Erste-Bank, da gab es das nicht. Dann war ich Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft und danach kam ich in die Spardat. Da war mein erstes Kündigungsgespräch 1998. Ich bin mir nachher ziemlich schlecht vorgekommen. Wahrscheinlich habe ich es auch schlecht gemacht. Der Grund für die Kündigung war das Missverhältnis zwischen dem Auftreten einer Person und ihrer Leistung, das hat einfach nicht zusammengepasst. Ich hatte ihn selbst als Abteilungsleiter aufgenommen, aber es hat sich bald gezeigt, dass er nicht mit den Leuten umgehen konnte. Die Leute waren unzufrieden, er hatte mit vielen Konflikte. Nun ist es aber Hauptaufgabe einer Führungskraft, mit den Leuten gut umgehen zu können. Es nutzt mir nichts, wenn er sachlich super ist, aber mit den Mitarbeitern nicht kann. Ich war auch auf mich angefressen, dass ich eine schlechte Wahl getroffen habe. Es war kurz vor Weihnachten, eine denkbar schlechte Zeit, zumal ich wusste, dass er sich verschuldet und gerade ein Haus gebaut hatte. Sehr unerfreulich.

Was haben Sie für sich daraus für Lehren gezogen?

Eine war sicher, schon bei den Beurteilungsgesprächen Klartext zu reden. Ich sage seitdem auch meinen Führungskräften, seid strenger bei den Beurteilungen, ihr tut keinem was Gutes, wenn ihr ihn oder sie in falscher Sicherheit wiegt. Die ganz ehrliche Beurteilung war in der Spardat auch nicht unbedingt üblich. Offiziell haben wir die A bis E Beurteilung. C heißt Ziel erreicht und eventuell in einigen Bereichen übertroffen. B ist Ziel in vielen Gebieten überschritten und A ist über-drüber, Kultur in der Spardat ist hingegen: B ist der Normalwert. Wenn man nicht unzufrieden ist, bekommt man B, wenn man zufrieden ist, bekommt man A. Das passt natürlich überhaupt nicht mit der Intention der Werte zusammen und es ist auch nicht gut, immer nur zwischen A und B zu vergeben. Da habe ich gelernt, meinen Abteilungsleitern zu sagen, C ist eine gute Note, du erfüllst Deine Ziele, B und A kann es auch geben, aber das ist nicht das Normalmaß. Da gab es heiße Diskussionen mit den Mitarbeitern.

Gibt es noch andere Lehren, die Sie aus solchen Gesprächen gezogen haben?

Eine typische Falle ist auch, am Anfang des Gesprächs herumzueiern, statt gleich auf den Punkt zu kommen. Dann wird es erst recht unangenehm. Denn dann muss man den Punkt suchen, wie sage ich es jetzt? Und die Erfahrung ist, Mitarbeiter nehmen dann gar nicht mehr klar wahr, dass sie gekündigt werden.

09.2004

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DI. Alfred Müllner, Bereichsleiter der Spardat