"Ich kenne die Schwachstellen"

Peter Pikisch, Abteilungsleiter in der Spardat, über die Auswahl der betroffenen Mitarbeiter, die Reaktion der Verbliebenen und die Nachwirkungen des Mitarbeiterabbaus in der Unternehmenskultur.

Wie ging es Ihnen als Führungskraft mit den Kündigungen bzw. der einvernehmlichen Trennung von Mitarbeitern?

Es gab bei uns mit dem EDV-Kollektivvertrag immer schon einen anderen Dienstvertrag als in den Banken, daher auch Kündigungen, allerdings immer qualitätsbezogen und sehr selten. Ich bin jetzt schon über 25 Jahre dabei und in all den Jahren hatte ich vielleicht vier bis fünf Kündigungsgespräche. Im Zuge dieses Personalabbaus hatte ich selbst zwei Fälle und diese Mitarbeiter waren nicht wirklich unvorbereitet. In meiner Abteilung weiß jeder, wie das interne Ranking ausschaut. Ich glaube, der Schlüssel zu solchen Gesprächen ist, zu Beginn nicht einmal zu fragen, wie geht es dir, sondern gleich zu sagen: Ich habe eine schlechte Nachricht, wir müssen uns aus diesen und jenen Gründen voneinander trennen. Je mehr man herumredet, desto unangenehmer wird die Situation. Wobei einer der beiden Betroffenen gemeint hat, das ist für ihn gar keine schlechte Nachricht, weil er sich nebenbei auch künstlerisch engagiert und sowieso geschwankt hat, in welche Richtung er weitergehen will.

Das Problem war eher: In der Zeit der Euro- und Datumsumstellung haben wir alles mobilisiert, um Leute zu bekommen und alle möglichen Leasingleute um teures Geld eingekauft. Das war eine extreme Zeit, die plötzlich von heute auf morgen zu Ende ging. Die meisten haben das vom Kopf her durchaus verstanden, trotzdem war die Situation ein radikaler Bruch und die Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren, steckt immer noch in der Firma.

Also der erste Kulturschock war, wir bauen im größeren Maßstab ab, und der zweite Kulturschock, das hört nicht mehr auf?

Genau. Wobei es ja nicht nur einen Abbau gab, sondern im Zuge dessen auch immer wieder einen organisatorischen Umbau. In meiner Abteilung etwa haben wir uns neu aufgestellt und die bisher über das ganze Unternehmen verteilten Java-Entwickler gepoolt. Also der Kulturschock war ein doppelter: Abbau und Veränderung und beides permanent.

Wie gut organisiert waren diese Maßnahmen?

Die erste Welle ging noch sehr ungeschickt, sehr unorganisiert vonstatten, war mit Schmerzen verbunden, hat lange gedauert, die Führungskräfte sind unvorbereitet hineingestolpert und haben das je nach Begabung besser oder schlechter bewerkstelligt. Ab der ersten Ankündigung Anfang des Sommers bis in den Herbst wurden permanent irgendwo irgendwelche Leute freigesetzt. Manche Führungskräfte sind vorgeprescht und haben gesagt, ich mache das gleich, andere haben gewartet. Es gab also ein ziemliches Durcheinander. ab der zweiten Runde im Frühjahr 2003 war das dann alles wesentlich koordinierter.

Wie ist die Situation jetzt, nach diesem Personalabbau?

Die wirklichen Key-Player in der Spardat machen sich keine Sorgen um ihren Job, aber trotzdem ist die diese latente Unsicherheit seither ein ständiger Begleiter. Ich glaube, dass sich dadurch das ganze soziologische Gefüge geändert hat. Wenn ich davon ausgehe, dass ich in meinem Job sicher bin, solange ich keine goldenen Löffel stehle, muss ich mich auch nicht mit Ellbogen behaupten, kann mich was trauen und in Vorlage gehen. Da agiere ich einfach anders als wenn ich permanent Angst um meinen Arbeitsplatz habe und immer schauen muss, dass ich ganz oben unter den Top-Leistern bin. Das verändert uns, glaube ich, nicht nur zum Positiven.  Ich glaube auch nicht, dass so eine Situation im Denken und in der Grundhaltung der Leute spurlos vorbei geht. Wobei in solchen Situationen auch gewisse Chancen stecken die man nutzen muss.

Ich merke es ja auch bei mir selbst: Derzeit könnte ich in meiner Abteilung 3-4 Leute aufnehmen, die Frage ist, was ist nächstes Jahr? Ich weiß es nicht. Folglich haben wir immer noch mehrere Externe. Es könnte wieder eine Welle kommen, oder es kommt gar keine mehr. Wobei ich auch kein Problem hätte, wenn eine käme, ich kenne meine 2-3 Schwachstellen. Die vermeintliche Unterbesetzung führt nicht dazu, dass was liegen bleibt, es steigt die Produktivität.

Wie war Ihre Abteilung von den Abbaumaßnahmen betroffen?

In der ersten Welle konnte ich den Abbau ganz elegant lösen. Ich war damals zuständig für Aufbau des Callcenters. Einige Mitarbeiter sind damals in die Orga-Abteilung der Erste-Bank zurück gegangen, die Spardataner blieben da und mit den Externen wurden die Verträge nicht verlängert. Bei der zweiten Welle war ich dann für das Internetthema zuständig, da sind die beiden Mitarbeiter, mit denen die Arbeit nicht gut geklappt hat, schon vorweg bei gutem Wind aus der Abteilung ausgeschieden. Ich bin so damit umgegangen, dass es für niemanden eine Überraschung war: Wir müssen uns trennen, wir haben zu wenig Aufträge.

Ist Ihnen aus Ihrer Sicht dabei einmal ein Fehler unterlaufen?

Ich habe einmal – in einem früheren Fall -  einen Fehler gemacht: Ich habe einen Mitarbeiter gekündigt, ihm nicht ganz getraut und ihm daher bei der Kündigung gesagt, bitte pack deine Sachen zusammen und geh gleich nach Haus. Das hat er nicht verstanden und die anderen auch nicht und letztendlich war mein „Misstrauen“ sicher unbegründet. Das würde ich so nicht mehr machen. Ich glaube, die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mitarbeiter was anstellt ist geringer als der Schaden, den man mit so einer radikalen Vorgangsweise anrichten kann. Das war für mich eine große Lehre.

Haben Sie die verbliebenen Mitarbeiter nicht gefragt, warum gerade der?

Nein, die Leute sind ja nicht dumm, jeder ein Gefühl fürs Ranking. In einem Team, das sich kennt, kann jeder die Hühnerleiter aufzeichnen. Softwareentwicklung ist wie Geige spielen. Man weiß, wer was kann und wer was leistet. Wenn ich die Philharmoniker um 10 Prozent verkleinern müsste, wüssten die Geiger genau, wer auf die Ersatzbank geht.

Wenn der betroffenen Mitarbeiter nach den Gründen fragt, wie geht es einem da?

Ich sage die Gründe, aber ich würde keine ausufernde Diskussion zulassen. Ich habe das so entschieden. Vielleicht ist es nicht gerecht, aber es ist meine Entscheidung, mein persönliches Ranking, wo viele Parameter hineinspielen, Auch Sympathie und Vertrauen.

Was erwartet man in einer Situation Kündigungswelle vom eigenen Vorgesetzten?

Keine Ratschläge bitte, in Ruhe gelassen werden, eine ruhige Präsenz im Hintergrund, so dass man weiß, dass im Bedarfsfall jemand im Hintergrund steht.

Was war damals Ihre Erwartung an die Personalabteilung?

Das, was der Herr Zemsauer sehr gut erfüllt hat. Dass er die Rahmenbedingungen sehr klar und für jeden fasslich dargelegt hat, dass man genaue Termine gesetzt hat, wann was passiert und wie das im Einzelnen vor sich geht. Dass man mit den Mitarbeitern nicht über einen Monat verhandeln musste, sondern ein konkretes Angebot auf den Tisch legen konnte. Diese Klarheit und Transparenz der Rahmenbedingungen war sehr hilfreich. Was ebenfalls hilfreich war, war die Vorbereitung auf die emotionalen Phasen, die man durchmacht, wenn man schlechte Nachrichten erfährt. Selbst wenn es dann im Einzelfall vielleicht gar nicht passiert - die Auseinandersetzung mit dem, was dann beim Kollegen vor sich geht oder gehen könnte, war sehr wichtig.

09.2004

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