Organisationales Lernen

Ein kurzer Abriss von Theorie und Praxis des organisationalen Lernens.

Die Idee des organisationalen Lernens (1) wurde in den späten 70er- und frühen 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts insbesondere von Argyris, Hedberg und Schön (2) unter dem Namen "organizational learning" in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt. Das der kognitiven Organisationstheorie zurechenbare Konzept überträgt dabei den ursprünglich individuumorientierten Begriff des Lernens auf die Ebene einer ganzen Organisation. Zentrale organisationale Erfordernisse und Erfahrungen werden gemäß diesem Ansatz im Zeitablauf analog dem personenbezogenen Lernprozess in einer Art organisationalem Gedächtnis gespeichert, und als von Schön "theories-in-use" genannte kognitive Orientierungen verankert (3). Diese können als kollektive Handlungsprogramme aufgefasst werden: "Like the individual .. the collective has a theory-in-use implicit in the norms, strategies, and assumptions that govern its regular patterns of task performance" (4).

Organisationales Lernen führt dann zu einer Veränderung dieser theories-in-use, der Prozess des organisationalen Lernens selbst kann als adaptiv-manipulativer Zyklus gesehen werden: "Learning thus encompasses the processes whereby learners iteratively map their environments and use their maps to alter their environments" (5). Um bestimmte Signale richtig zu identifizieren und um auf sie angemessen zu reagieren, "… organizations map their environments and infer what causal relationships operate in their environments. These maps constitute theories of action which organizations elaborate and refine as new situations are encountered" (6). Hedberg geht davon aus, dass diese Handlungsprogramme die Wahrnehmung von Signalen durch die Organisation in gleicher Weise steuern, wie es auf individueller Ebene durch kognitive Strukturen erfolgt (7).

In einer psychologischen Perspektive wird die zentrale Bedeutung subjektiver Theorien beziehungsweise kognitiver Umweltrepräsentationen (8) in diesem Ansatz besonders deutlich. Da die organisationalen theories-in-use nicht anderes darstellen, als die kollektive mentale Programmierung der Organisationsmitglieder (9), rückt das Konzept des "organizational learning" sehr nahe an kognitiv orientierte Modelle von Organisationskultur (10).

In der Praxis des organisationalen Lernens geht es primär darum, auf breiter Basis in einer Organisation eine positive, aktive Haltung gegenüber Lernen und Neuem aufzubauen. Wie im Haupttext mehrfach angesprochen, ist eine Kultur der Reflexion zu entwickeln. Wie dies geschieht, muss grundsätzlich im Einzelfall der konkreten Organisation entschieden werden. Richtet man den Fokus auf Führung, so bieten sich vor allem folgende Konzepte an:

  • Aufbau einer organisationsspezifischen Managemententwicklung, die auf strategischen Leadership-Kriterien beruht. Dies beinhaltet eine entwicklungsorientierte Managementdiagnostik ebenso wie entsprechende Lernprogramme (siehe Link 1, Lernformen für Führung und Management) sowie eine enge Anbindung der Managemententwicklung an die Organisations- beziehungsweise Unternehmenspolitik.
  • Viele bewährte Konzepte der Organisationsentwicklung können genutzt werden, die aktuelle Führungssituation einer Bearbeitung zugänglich zu machen und gegebenenfalls nachhaltig zu verbessern. Dies kann zum Beispiel durch team-, abteilungs- oder bereichsspezifische Workshops geschehen, wo Führende und Geführte gegenseitig ihre Erwartungen bezüglich Führung austauschen und bei entsprechender Nicht-Übereinstimmung Korrekturen der daraus resultierenden Führungspraxis vornehmen.
  • Gruppen kollegialer Beratung zum Thema Führung
  • Lerngruppen zum Thema Führung: Hier haben beispielsweise Führungskräfte einer Organisation im Jahr 8 Arbeitstage zur Verfügung um sich mit anderen Führungskräften selbstorganisiert und ohne Berichtspflicht an Dritte über Führung auseinanderzusetzen.
  • Aufbau einer Kultur, in der in angemessenem Umfang Führungsfehler zulässig sind und für Lernen offen thematisiert werden können.

 

Anmerkungen:

(1) Siehe im Überblick Schuh, S.: Organisationskultur – Integration eines Konzepts in die empirische Forschung, Wiesbaden: Deutscher Universitätsverlag 1989, S 111 – 113
(2) Siehe hierzu Argyris, C./Schön D. A.: Organizational Learning: a Theory of Action Perspektive, Reading, Mass. u.a. 1978; Hedberg, B.: How Organizations Learn and Unlearn, in: Nystrom, P.C./ Starbuck, W. H. (Eds): Handbook of Organizational Design, Vol. I – Adapting Organizations to their Environments, Oxford, 1981, S. 3 – 27; Schön, D. A.: Organizational Learning, in Morgan, G. (Ed.): Beyond Method – Strategies for Social Research, Beverly Hills u. a. 1983, S. 114 - 128
(3) Schön, D. A., a.a.O.
(4) Schön, D. a., a.a.O., S. 118
(5) Hedberg, B., a.a.O. , hier S. 5
(6) Hedberg, B., a.a.O., S. 7
(7) Hedberg, B. a.a.O, S. 8 – 9,
(8) Siehe hierzu insbesondere Teil I dieser Reihe in Leaders Report März/2009 unter www.Leaders-circle.at, Link 2 „Kognitionstheorien
(9) Hier wird die Bedeutung subjektiver Theorien beziehungsweise kognitiver Umweltrepräsentationen für das Konzept des organisationalen Lernens besonders deutlich.
(10) Siehe hierzu Schuh (1989), a.a.O. S. 101 – 120, insbes. S. 113

Zurück zum Haupttext

...zurück zum Seitenanfang

Teilen: