Ausgewählte Lernformen und -konzepte für das Lernen von Führung und Management.

Um einen ersten Eindruck der zeitgemäßen Praxis der Führungskräfteausbildung zu vermitteln, werden im Folgenden typische Programme und Konzepte exemplarisch vorgestellt.

Nachwuchsförderprogramme stehen vor der Herausforderung, "Führung" an Personen zu vermitteln, die noch nicht in einer Führungsposition sind, sich aber auf die erste Führungsaufgabe entsprechend vorbereiten sollen. Deshalb kann das Modell "Führen lernt man dadurch, dass man führt und dieses Führen dann systematisch reflektiert" hier nicht greifen. Dennoch scheint eine entsprechende Vor-Qualifizierung in gewissem Umfang möglich und sinnvoll.

Die Grundidee besteht darin, sich in einer Gruppe von circa 10 bis 12 Nachwuchskräften zunächst mit der eigenen Motivation für eine Führungsaufgabe sowie den damit verbundenen Perspektiven auseinander zu setzen. Gefolgt wird dieser erste Block von einer weiteren Einheit, in der die Übereinstimmung zwischen den eigenen Vorstellungen über Führung einerseits, und dem Führungsmodell der jeweiligen Organisation andererseits überprüft werden soll. Die interaktionsorientierte Selbsterfahrung in Workshop III, wie sie beispielsweise in Gruppendynamikseminaren gut möglich ist, stärkt die eigene soziale Kompetenz, und man kann zumindest an den vor Ort stattfindenden Führungsepisoden über Führung lernen. Nach circa 10 Monaten Lernen im Kontext der Gruppe baut die zweite Standortbestimmung in Workshop IV dann auf einer größeren (Selbst-) Erfahrung auf als die erste. Insbesondere können Eindrücke der weiteren Mitglieder der Lerngruppe für systematisches Feedback zum eigenen (Führungs-) Verhalten genutzt werden.

Im vorgestellten General Managementprogramm geht es schwerpunktmäßig um Führungslernen für oberes Management.

 

In dem verwendeten Beispiel lernen 12 bis 14 international zusammengesetzte Teilnehmer einer Organisation über circa 14 Monate zusammen. Da Englisch die Seminarsprache ist, und ein gutes Sprachniveau eine wichtige Voraussetzung für gemeinsames Lernen ist, müssen die Teilnehmer zunächst einen Sprachtest in Englisch (im Beispiel für alle eine Fremdsprache) erfolgreich absolvieren. Ein Vorgespräch zwischen Teilnehmer, seinem vorgesetzten Vorstand und einem Vertreter der Konzernpersonalentwicklung (Strategische Personalentwicklung) stellt sicher, dass der Teilnehmer die Gründe seiner Teilnahme genau kennt und weiß, welche Erwartungen von Seiten der Organisation an ihn gerichtet sind. Gleichzeitig gibt dieses Gespräch dem Kandidaten die Gelegenheit, noch offene Fragen zum Programm zu klären. Workshop I dient dann der ersten Integration der Lerngruppe und greift in seinem inhaltlichen Teil ausgewählte Fragen der Umweltentwicklung sowie die Auseinandersetzung mit denkbaren Zukünften auf. In Workshop II werden ausgewählte betriebswirtschaftlich Sachverhalte thematisiert, und zwar die Gestaltung von Organisationsstrukturen und Fragen des Finanzmanagements, unter denen das Konzept der Wertorientierten Unternehmensführung einen besonderen Raum einnimmt. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Teilnehmer bereits 7 Tage miteinander gelernt und es kann eine Vertrauensbasis entstehen, die eine wichtige Grundlage für die nun stattfindende erste Kollegiale Beratung darstellt. Hier bearbeiten 6 - 7 Führungskräfte unter Anleitung externer Berater herausfordernde Fälle der eigenen Führungspraxis durch kollegiale Beratung (Intervision, siehe auch unten). Workshop III greift danach das Thema Strategiebildung und Strategische Führung auf, gefolgt vom zweiten Treffen der Gruppen kollegialer Beratung (die personell unverändert bleiben). Workshop IV bearbeitet ‚Führung‘ im oberen und Topmanagement. Nach dem dritten Treffen der Intervisionsgruppen beendet Workshop V mit dem Schwerpunkt Interkulturelles Management die Reihe. Die Veranstaltungen finden in den Ländern der Teilnehmer statt, wobei immer auch Kontakte mit den lokalen Gesellschaften geplant sind. Begleitet wird die Workshop-reihe von einem programmverantwortlichen Mitarbeiter der Konzernpersonalentwicklung, die externen Partner werden themenspezifisch ausgewählt, teilen jedoch methodisch eine ähnliche Sicht, im dargestellten Beispiel liegt ihre gemeinsame Basis in den (neueren) Systemtheorien. Integraler Bestandteil der Workshops sind auch Diskussionen mit den CEOs der lokalen Gesellschaften.

Im so genannten Action Learning Programm bearbeitet eine Gruppe von 8 bis 14 Teilnehmern ein herausforderndes Echt-Projekt der jeweiligen Unternehmens (1). Dieser Prozess wird von zwei externen prozesskompetenten Projektberatern begleitet. Das Lernen findet vor allem dadurch statt, dass das, was im gemeinsamen Arbeitsprozess geschieht, im Programm systematisch reflektiert wird. Auch werden theoretisch-konzeptionelle Fragen, die sich aus dem gemeinsamen Arbeits- und Lernprozess ergeben, von den Beratern aufgegriffen und in Form von Trainer-Inputs vertiefend mit der Gruppe bearbeitet. So lernt man beispielsweise über die generelle Bedeutung von Gruppenintegration in Projekten durch Reflexion des eigenen Integrationsprozesses im ersten Workshop. Bei der Auswahl des Projektes, das vom Unternehmen in das Action Learning Programm eingebracht wird, ist unter anderem darauf zu achten, dass es interdisziplinär ausgerichtet ist und - wenn möglich sowie Einzelfall sinnvoll - vom (Konzern-) Vorstand beauftragt. Die folgende Abbildung gibt exemplarisch einen Überblick über die Grundstruktur eines derartigen Programms, das in einem internationalen Kontext erfolgreich durchgeführt wurde.

Gegenüber dieser schematischen Darstellung finden die Phasen der Reflexion und des Theorie-Inputs mit Ausnahme des Schlussworkshops nicht zu fest geplanten Zeiten statt, sondern dann, wenn es aus Sicht des jeweils aktuellen Arbeits- und Lernprozesses angezeigt ist.

In Organisationen, die bereits seit einer längeren Zeit eine Kultur des Lernens entwickelt haben, bieten selbstorganisierte Lernformen eine gute und praktische Möglichkeit, im Sinne einer Lernenden Organisation genau am Qualifizierungs- und Entwicklungsbedarf der jeweiligen Organisation zu arbeiten. Hierzu drei beziehungsweise vier Praxisbeispiele:

In einer Reihe zum Thema "Führung und Persönlichkeit" setzt sich eine Gruppe von circa 10 leitenden Führungskräften über einen Zeitraum von einem Jahr mit Fragen ihrer Persönlichkeitsentwicklung als Führungskräfte auseinander. Der gewählte Rahmen für den selbst organisierten Lernprozess lautet: Das Thema des Lernens ist die eigene Persönlichkeitsentwicklung. Hierfür steht ein zeitlicher Umfang von vier mal drei Tagen für entsprechende Workshops oder sonstige Lernaktivitäten sowie ein angemessenes Budget für Referenten, Hotels usw. zur Verfügung. Als weitere gesetzte Elemente des Rahmens waren ein eintägiger Startworkshop unter Begleitung der internen Managemententwicklung vorgesehen, sowie nach jedem Workshop eine Zwischenreflexion.

In der praktischen Umsetzung hat sich bewährt, dass die Teilnehmer jeweils nach einer speziellen Erfahrung (Workshop oder sonstige Lernform) in der Reflexion mit der internen Managemententwicklung Thema und Referenten für die jeweils folgende Veranstaltung festlegen.

Noch herausfordernder und radikaler ist das folgende Design selbstorganisierten Lernens, das insbesondere für das Lernen über Führung gut geeignet ist:
Eine Gruppe von 8 bis 14 Teilnehmern lernt selbst organisiert in einem Rahmen, der aus folgenden Elementen besteht:

  • Das Thema des Lernens ist Führung.
  • Es steht hierfür ein zeitlicher Rahmen von 30 Tagen, zu verteilen über 12 Monate, zur Verfügung.
  • Davon sind mindestens 8 Tage für Supervision durch zwei externe Berater oder Supervisoren vorzusehen.
  • Es muss gemeinsam (also in einer wie auch immer gearteten Gruppenaktivität) gelernt werden.
  • Es steht ein Finanzbudget zur Verfügung, über dessen Verwendung die Lerngruppe im gesetzten Rahmen entscheidet.
  • Die Veranstaltung startet mit einem viertägigen Workshop, der als Struktur von der internen Managemententwicklung (in Kooperation mit den vorgesehen Supervisoren) gesetzt wird.

Um über Führung zu lernen, können die Teilnehmer beispielsweise klassische Seminare für sich veranstalten, ein (kleines) Unternehmen gründen und betreiben, um so über Unternehmertum zu lernen, ein Sozialprojekt initiieren und umzusetzen oder ganz andere Aktivitäten einleiten. Wichtig dabei ist nur, dass der oben skizzierte Rahmen eingehalten wird.

Eine in der Managemententwicklung inzwischen weit verbreitete Lernform sind Gruppen kollegialer Fallberatung, auch Intervisionsgruppen genannt. Dabei treffen sich idealerweise 5 - 7 Führungskräfte und ein meist externer Berater für 2 Tage (2), um an konkreten Führungsfragen der Teilnehmer zu arbeiten. Die zu bearbeitenden Fälle müssen dabei aus dem Handlungsfeld der jeweiligen Führungskraft ("Fallgeber") stammen, dieser wichtig sein und sie emotional berühren. Die Beratung selbst erfolgt durch andere Führungskräfte der Gruppe - nicht durch den begleitenden (externen) Berater. Diese Beratung kann in unterschiedlichen Konstellationen erfolgen. Bewährt hat sich eine Form, wo der Fallgeber sich aus dem Kreis der Kollegen zwei Berater (Coaches) wählt, und die nicht direkt in die Beratung involvierten Mitglieder der Gruppe für ein - zum Beispiel in Form eines Reflecting Teams - systematisiertes Feedback zur Verfügung stehen. Der externe Berater steuert den Gesamtprozess, moderiert gegebenenfalls die einzelnen Beratungssequenzen und gibt insbesondere zu Fragen der Beratung Input. Für den Beratungsprozess selbst bieten sich insbesondere Konzepte der systemischen Beratung an, die später im Sinne eines systemischen Managements auch auf  eigene Führungssituationen übertragen werden können.

Als wesentliche Voraussetzungen für das Funktionieren von Gruppen kollegialer Beratung muss einerseits eine tragfähige Vertrauensbasis zwischen den Teilnehmern bestehen, zum anderen ist auch ein hohes Ausmaß gegenseitiger Wertschätzung nötig (von jemandem, dem man zwar vertraut, dem man aber nur ein reduziertes Ausmaß an Wertschätzung, beispielsweise aus fachlichen Gründen, entgegenbringt, ist es schwer, Rat oder Rückmeldung anzunehmen). Haben sich solche Gruppen etwa im zeitlichen Abstand von einem Vierteljahr mehrfach mit ihrem (externen) Begleiter getroffen, kann die kollegiale Beratung in der Regel selbst organisiert auch ohne ihn fortgesetzt werden.

Etwas offener ist das Konzept so genannter Lerngruppen. Hier treffen sich ebenfalls 5 - 7 Führungskräfte regelmäßig für eine bestimmte Zeit (ideal: ein Tag), um gemeinsam über Führung zu lernen. Die Gruppe entscheidet dabei selbst, wie sie dies tut, und mit welchen Themen sie sich dabei beschäftigt. In diesem Zusammenhang benutzen Wiemeyer/Wohland das Bild der Meisterloge: Meister sind große Könner ihres Fachs, sie erkennen sich (nur) gegenseitig und stellen für die Lernenden die Verkörperung dessen dar, was möglich ist. Für ihr Lernen sei die angemessenste Form die so genannte Meisterloge, in der – um den Lernprozess nicht zu stören – Nicht-Meister nichts zu suchen haben (3).
Eine weitere, heute sehr verbreitete Lernform im Management ist Coaching. Dabei arbeitet eine Führungskraft unter vier Augen gemeinsam mit einem meist externen Coach reflexiv an der eigenen Führungspraxis (4). Coachingprozesse sind in der Regel zeitlich klar begrenzt. Sie dauern typischerweise 5 bis 10 Sitzungen zu je 1,5 bis 3 Stunden, wobei die Sitzungen im Abstand von drei bis sechs Wochen stattfinden.

Darüber hinaus stellen vor allem zur Unterstützung des Führungslernens das Lesen von guten Büchern über Führung, Management und Organisationstheorien sowie das Führen eines eigenen Lerntagebuchs sehr geeignete Lernformen dar.

Anmerkungen:

(1) Siehe hierzu auch das Beispiel in Schuh, S.: Curriculum Servicemitarbeiter: Ein Praxisbeispiel zum organisationalen Lernen, in Bergmann, G./ Meurer, G.(Hrsg.): Best Patterns – Erfolgsmuster für zukunftsfähiges Management, Neuwied u. Kriftel: Luchterhand 2001, S. 417 - 422, insbes. S. 419
(2) In der Praxis hat sich bewährt, bereits am Vorabend anzureisen, so dass bereits am ersten Morgen mit der Fallarbeit begonnen werden kann. Rechnet man pro Fall mit einer Bearbeitungszeit von circa 1,5 Stunden, so können in zwei Tagen sieben Führungskräfte jeweils eine eigene Fragestellung bearbeiten
(3) Siehe Wiemeyer/ Wohland, a.a.O., S., S. 207 – 208
(4) Zum Konzept des Coaching siehe beispielsweise Schwertl, W.: Business-Coaching – der Coach als Mountain Guide und Hofnarr, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2009

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