Kognitionstheorien

Ein kurzer Überblick über die wichtigsten Ansätze, die sich mit der subjektiven Repräsentation von "Welt" in den Köpfen der Menschen auseinandersetzen.

Da die kognitive Repräsentation von Umwelt eine lange Tradition in der Psychologie hat, und viele der dabei erarbeiteten hypothetischen Konstrukte auch in der Arbeits- und Organisationspsychologie eine hohe Bedeutung erlangt haben, erhalten Sie an dieser Stelle einen kurzen, historisch geordneten Überblick über die wichtigsten Ansätze. Dies scheint auch deshalb sinnvoll, weil diese Ansätze geeignet sind, das Konzept des Führungsverständnisses auch auf einer psychologischen Ebene theoretisch zu fundieren.

Das Konzept der cognitive map von Tolman (1948)

Tolman kam in der Analyse von Tierversuchen zu dem Ergebnis, dass Ratten in einem Labyrinth für ihre Orientierung mentale Abbilder dieser Umwelt ausgeprägt haben, die nicht allein durch eine dem Stimulus-Response-Paradigma folgende Konditionierung erklärt werden konnte und die er dann "cognitive maps" nannte (1). Diese beschreiben – beim Menschen durch Introspektion zugängliche – gedankliche Bilder der erlebten Umwelt, die dann auch Verhalten und Erleben steuern. In der Entscheidungstheorie wird der Begriff der kognitiven Landkarte seit längerem auch als Ausdruck für komplexe Ursache-Wirkungs-Ketten bzw. –Netze verwendet, die als individuelle Prämissen in eine Entscheidung eingehen und nichts anderes darstellen als das subjektive mentale Modell, das der Entscheidungsträger über den jeweiligen Zusammenhang zwischen den (abhängigen) Zielvariablen und ihren Determinanten beziehungsweise ihren verursachenden Variablen hat (2).

Anmerkungen:

(1) Tolman, E.C.: Cognitive Maps in Rats and Men, in: The Psychological Review, 1948, 55, S. 189 – 208. Zusammenfassend Schuh, S.: Organisationskultur – Integration eines Konzepts in die empirische Forschung, Wiesbaden 1989, S. 212 -215
(2) Axelrod, R.: The Analysis of Cognitive Maps, in Axelrod, R. (Ed.): Structure of Decision – the Cognitive Maps of Political Elites, Princeton, N.J. 1976, S.55 – 73

Das Konstrukt der Wahrnehmungshypothese in der Hypothesentheorie der sozialen Wahrnehmung von Bruner und Postman (1951)

Die von Bruner und Postman Ende der Vierziger- / Anfang der Fünfziger-Jahre entwickelte Hypothesentheorie (3) der Sozialen Wahrnehmung geht von der Annahme aus, dass Wahrnehmen kein passiver Vorgang ist, in dem externe Stimuli analog einem Fotoapparat intern objektiv abgebildet werden, sondern dass es sich dabei vielmehr um einen aktiven, konstruktiven Prozess handelt. Das Individuum begegnet der Welt im Prozess des Wahrnehmens bereits mit vorhandenen Hypothesen über die jeweils wahrzunehmende Situation, das heißt mit einer Art Erwartungsstruktur, gegen die das aufgenommene sensorische Input-Material dann geprüft wird. Diese Prüfprozedur, beziehungsweise deren Ergebnis, ist dann maßgeblich verantwortlich dafür, wie sich das Perzept darstellt. Die Wahrnehmungshypothesen, über die eine Person verfügt, entstehen im Sozialisationsprozess und werden durch neue Erfahrungen laufend verändert. Bruner selbst (4) verbildlicht das Konzept der Hypothese mit Begriffen wie Determinierungstendenz, Eingestellt Sein, Aufgabe (i. Orig. deutsch) sowie kognitive Prädisposition und präzisiert es "…als einen weitestgehend generalisierten Zustand, bereit zu sein, auf Klassen von Ereignissen in der Umwelt selektiv zu antworten". In einer Lernperspektive bezieht Bruner die Wahrnehmungshypothese auf das Konzept der kognitiven Landkarte (s.o.) oder auf eine bestehende Gewohnheitshierarchie im Sinne von Hull (Autor einer ehemals viel zitierten Lerntheorie, die hier auch angesprochen ist). Hohe Relevanz für professionelle Führung kann der Hypothesentheorie deshalb zugesprochen werden, weil (soziale) Wahrnehmung erstens im Mittelpunkt des (führungsrelevanten) Organisationsklimakonzepts steht – und weil zweitens jede Führungssituation grundsätzlich mit einer Wahrnehmung beginnt. In diesem Sinne wären Bruners und Postmans generelle Wahrnehmungshypothesen dann als führungsbezogene Erwartungsstrukturen interpretierbar.

Anmerkungen:

(3) Bruner, J.S.: Personality Dynamics and the Process of Perceiving, in: Blake, R.R./Ramsey, G.V.: Perception, an Approach to Personality, New York, 1951, S. 121-147
Postman, L./Bruner, J.S./ McGinnies, E.: Personal Values as Selective  Factors in Perception, in: The Journal of Abnormal and Social Psychology, 1948, Vol. 43, S. 142-154
Allport, F.H.: Theories of Perception and the Concept of Structure, New York 1955
Graumann, C.-F.: „Social Perception“, in: Zeitschrift für experimentelle und angewandte Psychologie, 1955/56, Vol. 3, S. 605-661
(4) Bruner, J.S. „Personality“, a.a.O., S. 125

Das Konzept der personal constructs in Kelleys Persönlichkeitstheorie (1955)

Der Persönlichkeitstheoretiker Kelley (5) unterstellt, dass jeder Mensch über persönliche Konstrukte verfügt, die ausdrücken, mit welchen grundsätzlichen Vorannahmen er der Welt begegnet: "Man looks at his world through transparent patterns or templets which he creates and then attempts to fit over the realities of which the world is composed …. Let us give the name constructs to these patterns that are tentatively tried on for size. They are the ways of constructing the world." (6) Kelley sieht in den Konstrukten Unterscheidungen, nicht Begriffe, und nimmt damit ein zentrales Element der neueren Systemtheorien, das Denken in (Leit-) Differenzen, vorweg. Die Unterscheidungen, die ein Mensch für seine kognitiven Prozesse wie Wahrnehmen, Bewerten, Denken … heranzieht, sind dabei personenspezifisch, weshalb Kelleys Ansatz als idiografisch gelten kann. Kennt man das Konstruktsystem einer Person, so kann man nachvollziehen, wie sie aus/in der Welt Bedeutung erzeugt, ebenso werden tendenziell (individuelle) Verhaltensprognosen möglich. Jenseits seines durchaus allgemein-psychologischen Theorieanspruchs entwirft Kelley mit dem "Role Construct Repertory Grid", auch "Repertory Grid Technique" oder kurz "Rep Test" genannt, ein Instrument, das einen etablierten Platz in der diagnostischen Psychologie gefunden hat, darüber hinaus aber auch in der Organisationsforschung angewendet wird, beispielsweise zur empirischen Analyse der Organisationskultur (7).

Anmerkungen:

(5) Kelley, G.A.: The Psychology of Personal Constructs, Vol. I, New York 1955
Kelley, G.A.: The Psychology of Personal Constructs, Vol. II, New York 1955
Schuh, S.:”Organisationskultur”, a.a.O., S. 315 – 331
(6) Kelley, G.A.: „The Psychology I“, S. 8/9
(7) Schuh, S.: “Organisationskultur”, a.a.O. S. 332 – 383
 Wacker, G.J.: Toward a Cognitive Methodology of Organizational Assessment,
in: The Journal of Applied Behavioral Science, 1981, 17/1, s. 114 – 129

Das Konzept des operativen Abbildsystems von Hacker (1978)

Hackers Ansatz ist der Arbeitspsychologie zuzurechnen und beschreibt insbesondere den Prozess der Handlungsregulation im Zusammenhang von Mensch-Maschine-Interaktionen. Die zentrale Steuerungseinheit der Handlungsregulation sieht Hacker dabei in so genannten "Operativen Abbild Systemen", die im Gedächtnis repräsentiert sind und sich jeweils auf den individuell verantworteten Arbeitsprozess-Ausschnitt beziehen (8). Nach Gebert und Rosenstiel (9) beinhaltet das Operative Abbild System Antizipationen des zu erbringenden Arbeitsergebnisses, Wissen um die Ausführungsbedingungen und Hypothesen bezüglich der Transformationen, um vom aktuellen IST-Zustand zum angestrebten SOLL-Zustand (Arbeitsergebnis) zu gelangen. Damit erfolgt die Steuerung der Arbeitstätigkeit auf Basis der kontinuierlichen kybernetischen Orientierung des Handlungsvollzugs an mehreren (speziell im Falle komplexerer Arbeiten) vernetzten Operativen Abbild Systemen.

Anmerkungen:

(8) Hacker, W.: Allgemeine Arbeits- und Ingenieurpsychologie, Berlin 1978
 Gebert, D./Rosenstiel, L. v.: Organisationspsychologie, Stuttgart u.a. 1981
 Weber, F.: Subjektive Organisationstheorien, Wiesbaden 1991, S. 48/49
(9) Gebert, D./Rosenstiel, L v.:“Organisationspsychologie“, a.a.O. S. 56

Die neueren Schematheorien der Social Cognition Forschung (verschiedene Autoren, ca. 1980)

Die insbesondere im Rahmen der so genannten Social Cognition-Forschung (10) Ende der Siebziger- und Anfang der Achtziger-Jahre elaborierten Schematheorien beschreiben als psychologische Informationsverarbeitungstheorien, wie Wissen im individuellen Gedächtnis repräsentiert und dann angewendet wird. Dabei gehen die Schematheorien davon aus, dass Wahrnehmen und Verstehen konstruktive Prozesse sind, die aus der in einer Situation gegebenen Information und dem bereits vorhandenen individuellen Wissen emergieren. Es besteht im Rahmen der Schematheorien weitgehend Einigkeit darüber, dass Schemata die Grundbausteine der Kognition sind ("…schemata truely are the building blocks of cognition") (11). Rumelhart, einer der versiertesten Forscher in diesem Feld, definiert Schema 1980 als "…a data structure for representing the generic concepts stored in memory" (12) (zum Beispiel ein generalisierter Restaurantbesuch). Zur bildhaften Darstellung seiner Auffassung vergleicht er Schemata beispielsweise mit Rollenbüchern im Schauspiel, mit Theorien und Computerprogrammen. Die wichtigsten Funktionen von Schemata beziehen sich auf die Prozesse des Wahrnehmens sowie der Aufnahme und des Wiederaufrufs von Informationen, auf Prozesse des Verstehens und Schlüsse Ziehens sowie auf Verhalten und Handeln. Relativ früh wurden Schematheorien von einigen Autoren auch auf Fragestellungen der Organisationsforschung übertragen. So legt beispielsweise Weick bereits 1979 seiner kognitiven Organisationstheorie das Schemakonzept von Neisser zugrunde (13), Calder/Schurr beschreiben nur zwei Jahre später organisationsbezogene Attitüden auf Basis schematheoretischer Überlegungen als einen interaktiven Prozess, der nur aus der Person und der Situation erklärt werden kann (14). Schuh entwirft 1988 eine Realtheorie der Organisationskultur, die in ihrem psychologischen Kern auf dem Schemakonzept aufbaut (15).

Anmerkungen:

(10) Wyer Jr. R.S./Srull, T.K. (Eds.): Handbook of Social Cognition, Vol. 1-3, Hillsdale, N. J./London 1984
(11) Rumelhart, D.E.: Schemata: The Building Blocks of Cognition, in Spiro, R.J./ Bruce B.C./Brewer, W.F. (Eds.) Theoretical Issues in reading comprehension, Hillsdale, N.J. 1980, S. 33 - 58
(12) Rumelhart, D.E.:”Schemata”, a.a.O., S. 34
(13) Weick, K.E.: Cognitive Processes in Organizations, in: Staw, B.M. (Ed.): Research in Organizational Behavior, Vol. 1, Greenwich, Conn. 1979, S. 41 – 74
(14) Calder, B.J./Schurr, P.H.: Attitudinal Processes in Organizations, in: Cummings, L.L./Staw, B.M. (Eds.): Research in Organizational Behavior, Vol. 3, Greenwich, Conn. 1981, S. 283 – 302
(15) Schuh, S: “Organisationskultur”, a.a.O., S. 159 – 278, (Erstveröffentlichung 1988 als Dissertation an der Universität der Bundeswehr München unter dem Titel: Möglichkeiten und Grenzen der empirischen Analyse der Organisationskultur – Entwicklung eines individuumzentrierten Bezugsrahmens als Grundlage für eine Operationalisierung)

Das Konzept der subjektiven Organisationstheorien

Zeitgleich mit den Schematheorien kam es zu einem Wiederaufgreifen des Konzepts der subjektiven Theorien (siehe oben das Konzept der personal constructs). Subjektive Theorien haben zur damaligen Zeit (Achtziger-Jahre) –analog den übrigen oben dargestellten Ansätzen – erkenntnistheoretisch den Status eines hypothetischen Konstrukts, das heißt, sie sind einer direkten Erfassung nicht zugänglich (analog beispielsweise dem Konzept der Kraft in der Physik, die ebenfalls nicht direkt, sondern z.B. über den Längenausschlag einer Federwaage gemessen werden kann) und stellen nichts anderes dar, als die Menge der subjektiven Annahmen einer Person bezüglich des „Funktionierens“ des jeweils betrachteten „Wirklichkeitsausschnittes“.
Dabei entspricht ihre Struktur weitgehend der einer wissenschaftlichen Realtheorie. So definieren Groeben und Scheele Subjektive Theorie wie folgt: "Unter ‚subjektiver Theorie‘ ist zu verstehen: ein Aggregat (aktualisierbarer) Kognitionen der Selbst- und Weltsicht mit zumindest impliziter Argumentationsstruktur, die eine (zumindest partielle) Explikation bzw. Rekonstruktion dieses Aggregats in Parallelität zur Struktur wissenschaftlicher Theorien erlaubt." (16) In diesem Sinne sind subjektive Organisationstheorien die persönlichen Annahmen eines Individuums über das Funktionieren von Organisationen. So sieht Weber in jedem Mitarbeiter eines Unternehmens in gewisser Weise einen Wirtschaftswissenschaftler: "Er hat eigene Theorien und Denkmodelle über das Funktionieren von Unternehmen, über betriebliche Phänomene und Abläufe, über deren Ursachen und Folgen. Diese Denkmuster prägen das Handeln im Unternehmen." (17) Die wesentlichsten Funktionen von subjektiven Theorien sind Situationsdefinition, Erklärung, Vorhersage und Handlungsempfehlung beziehungsweise Handlungssteuerung, die zusammen die Basis jeden problemlösenden Denkens und Handelns bilden.

Anmerkungen:

(16) Groeben, N./Scheele B.: Einige Sprachregelungsvorschläge für die Erforschung subjektiver Theorien, S.16, in: Dann, H.D./Humpert, W./Krause, F./Tennstädt, K.C. (Hrsg.): Analyse und Modifikation subjektiver Theorien von Lehrern. Ergebnisse und Perspektiven eines Kolloquiums. Zentrum I Bildungsforschung, Sonderforschungsbereich 23, Forschungsbericht 43, Konstanz: Universität Konstanz, 1982, S. 13 -39
(17) Weber, F.: Subjektive Organisationstheorien, Wiesbaden 1991, hinterer Einbandrücken

Aussagen der neueren Hirnforschung

Man kann sich die Evolution des Nervensystems (18) über drei Stufen vorstellen:

  • Einfachste Lebewesen, z.B. die Seeanemone, haben Neuronen, die zur Aufnahme und Verarbeitung eines Reizes sowie zur daraus resultierenden Verhaltenssteuerung dienen. Solche Neuronen registrieren einen Reiz an der Oberfläche und bewirken selbst die zugehörige Muskelkontraktion. Hier sind afferentes und efferentes Neuron identisch (Stufe 1).
  • Bei etwas komplexeren Organismen, z.B. Quallen, gibt es bereits ein sensomotorisches (afferentes) und ein motorisches (efferentes) Neuron. Der aufgenommene Reiz wird vom afferenten an das efferente Neuron weitergegeben, das seinerseits dann wieder eine Muskelkontraktion bewirkt. Dieser Reflexbogen arbeitet sehr schnell (Stufe 2).
  • Auf der nächsten Stufe (Stufe 3) existiert darüber hinaus eine neuronale Zwischenschicht. Das afferente Neuron überträgt seinen Reiz/Impuls nicht mehr direkt auf das efferente, sondern liefert ihn als Input für eine Zwischenschicht, die mit der Außenwelt des Organismus nicht mehr in direkter Verbindung steht. Erst nach einer Verarbeitung in dieser Zwischenschicht überträgt dann ein efferentes Neuron einen Impuls an den Muskel. Höhere Organismen haben mit Hilfe dieser Zwischenschicht die Fähigkeit entwickelt, Aspekte der Außenwelt intern zu "repräsentieren", um nicht nur auf genetisch vorprogrammierte Ereignisse sondern auf alle wichtigen Umweltereignisse reagieren zu können. Der entscheidende Schritt der Entwicklung besteht in dieser Perspektive darin, dass nunmehr Neuronen existieren, die weder ihren Input direkt von außen bekommen noch ihren Output direkt nach außen senden. Sie repräsentieren intern die (relevante) äußere Welt. Solche Systeme können prinzipiell jeden Zusammenhang zwischen Input und Output abbilden. Diese inneren Repräsentationen sind ursprünglich nichts anderes als in Form innerer Muster entstandene und verankerte Hypothesen bestimmter Lebensformen über die Beschaffenheit der Welt und über die sich in dieser Welt bietenden Möglichkeiten zur Lebensbewältigung: "Im Prinzip unterscheidet sich das, was eine Zelle tut, nicht von dem, was ein Mensch oder eine ganze Gesellschaft unternimmt, wenn die innere Ordnung und der Fortbestand dessen gefährdet ist, was sich bisher als geeignete Lebensform erwiesen hat: Es werden bewährte, im Inneren bereit gehaltene Bilder wachgerufen und als handlungsleitende Reaktionsmuster, als erinnerte Vorstellungen oder in die Zukunft entworfene Visionen benutzt, um die eingetretene Gefährdung abzuwenden. Ohne den Rückgriff auf solche inneren Bilder ist kein Leben möglich." (19)

Eine derartige Organisation erhöht die Chancen enorm, in einer sich ändernden Umwelt zu überleben:

Äußere und innere Zustände werden registriert

  • "Erfahrungen" können gespeichert und als Know-how später zur Verfügung gestellt werden
  • Angeborene Dispositionen können ergänzt / modifiziert werden
  • Mögliche Entwicklungen / Veränderungen können intern vorweggenommen bzw. „simuliert“ werden („Vorstellungen“ werden gebildet)
  • Ab einem gewissen Punkt der Evolution erfolgen einige dieser Prozesse auch bewusst

Das menschliche Gehirn besteht aus ca. 100 Milliarden Gehirnzellen (Neuronen)  (1011) (20), jede Zelle ist mit bis zu 10.000 anderen Zellen über Synapsen vernetzt. Alleine im Cortex (Großhirnrinde) existieren ca. 500 Billionen interne Verknüpfungen (5 x 1014). Daraus ergeben sich (fast) unendlich viele Gehirnzustände. Auf eine afferente oder efferente Faser (Fasern, die aus dem Körper bzw. den Sinnesorganen Signale zuleiten oder sie dorthin senden) kommen rund 5 – 10 Millionen (!) gehirninterne Verbindungen (Input: Informationen; Output: hauptsächlich Bewegungsauslöser). Das bedeutet, die Nervenzellen des menschlichen Gehirns sind vor allem mit sich selbst verbunden. Das Gehirn ist vorrangig damit beschäftigt, von ihm selbst produzierte Signale zu verarbeiten. Die Bedeutung von Reizen und Informationen von außen ist verschwindend klein gegenüber dem internen Geschehen. Entscheidend ist somit die interne (cortikale) (Vorstellungs-) Welt (= einzige "Realität") und nicht  die Situation in der äußeren, "wirklichen"  Welt. Das Gehirn erschafft erst die Welt.

Anmerkungen

(18) Dieser Abschnitt basiert auf einer Vortragsunterlage meines Freundes und ehemaligen Kollegen Dr. Alois Kehrer.
(19) Hüther, G.: Die Macht der inneren Bilder – Wie Visionen das Gehirn, den Menschen und die Welt verändern, Göttingen 2006, S. 43 f.
(20) Kehrer, A.: Führen mit Hirn, in Hernsteiner 1/2009

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Zum Autor: Dr. Sebastian Schuh ist freier Organisationsberater in Starnberg.

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